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Geldauflage: Strobl kämpft um politisches Überleben

Weil er ein Anwaltsschreiben an einen Journalisten durchsticht, wird gegen Innenminister Thomas Strobl monatelang ermittelt. Nun ist klar: Er kommt nicht ohne blaues Auge davon. Wird er die größte Krise seiner Laufbahn überstehen?

Landesparteitag CDU Baden-Württemberg
Thomas Strobl (CDU), Innenminister und Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg während des Landesparteitags. Foto: Silas Stein
Thomas Strobl (CDU), Innenminister und Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg während des Landesparteitags.
Foto: Silas Stein

Um 21.34 Uhr öffnet sich schließlich die Tür und Thomas Strobl verlässt den Fraktionssaal. Der Innenminister läuft an den wartenden Journalisten vorbei, zügigen Schritts, ohne ein Wort zu verlieren. Er verschwindet ein paar Meter weiter in einem Büro. Eineinhalb Stunden hat er sich erklärt, um Unterstützung gerungen. Nun diskutieren die Abgeordneten ohne ihn weiter, er ist schließlich nicht Teil der Fraktion. Es geht um nichts weniger als um sein politisches Überleben.

Seit Donnerstagabend ist klar: Die Ermittlungen gegen Strobl in der sogenannten Briefaffäre haben Konsequenzen. Weil er einem Journalisten ein Anwaltsschreiben weitergegeben hat, war monatelang gegen den Vize-Regierungschef ermittelt worden. Strobl verkündete nun in der Fraktion, dass die Staatsanwaltschaft ihm angeboten hat, das Verfahren einzustellen - allerdings nur gegen eine saftige Geldauflage. 15 000 Euro soll Strobl zahlen. Klar ist auch: Er will das Angebot annehmen. Sonst hätte er ein langwieriges und rufschädigendes Verfahren mit ungewissem Ausgang riskiert.

Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den ranghöchsten Polizisten im Land, den Inspekteur der Polizei. Ihm wird sexuelle Belästigung vorgeworfen. Strobl soll einen Journalisten dazu angestiftet haben, aus Verfahrensakten zu zitieren. Er habe jeden Anschein eines »Hinterzimmer-Deals« vermeiden wollen und deshalb das Schreiben an den Journalisten gegeben, so seine Argumentation.

Die Opposition wirft dem CDU-Politiker aber seit Monaten Geheimnisverrat und einen Verstoß gegen den Datenschutz vor, will ihn mit einem Untersuchungsausschuss unter Druck setzen. Auch gegen den Reporter wird ermittelt. Dieser lehnte nach Angaben der Zeitung das Angebot der Einstellung gegen Geldauflage ab.

Lange war gerätselt worden, ob Strobl das Ermittlungsverfahren politisch überleben kann oder ob er den Posten als Innenminister und Vize-Regierungschef räumen muss. Das sei abhängig vom konkreten Ausgang der Ermittlungen, war stets zu hören. Einstellung mit Auflage? Ohne Auflage? Strafbefehl? Anklage? CDU-Fraktionschef Manuel Hagel hatte bereits eine Delegationsreise in die USA abgesagt, um auf mögliche spontane Machtverschiebungen reagieren zu können. Er gilt derzeit als der Mann, der in der CDU die Fäden zieht.

Nun hat Strobls politisches Schicksal ein Preisschild: 15.000 Euro. Vorbestraft ist er damit nicht. Die Summe muss zudem im Verhältnis betrachtet werden, weil ein Minister auch viel verdient und solche Auflagen sich stets an den Einkommensverhältnissen bemessen. Aber was bedeutet das nun für Strobls Zukunft?

Es gibt mehrere Lesarten. Die eine besagt, dass sich ein Minister, der zudem noch für die Verfassung zuständig und oberster Hüter von Recht und Ordnung ist, so etwas unter keinen Umständen leisten darf und folgerichtig aus dem Amt scheiden muss. »Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Strobl Recht gebrochen hat, sich strafbar gemacht hat«, twitterte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch am Abend. »Und mit der Annahme räumt er seine strafrechtliche Verantwortlichkeit ein. Wie soll so jemand im Amt des Verfassungsministers bleiben, Herr Kretschmann?«

Strobls Unterstützer führen Beispiele an, wo Politiker immer wieder trotz Verfahrenseinstellungen gegen Geldauflage im Amt bleiben konnten.

Am Donnerstag nun wirbt der bedrängte Minister bei den Abgeordneten um Rückhalt. Der 62-Jährige hatte Hagel zuvor um die Sondersitzung gebeten. Um 20.00 Uhr kommen die Parlamentarier im Haus der Abgeordneten zusammen, nicht mal ihre Mitarbeiter dürfen mit in den Saal. Strobl wirbt um Vertrauen. Niemand habe ein Interesse, die grün-schwarze Koalition ins Wanken zu bringen, hieß es vor der Sitzung aus der Fraktion. Hagel braucht Stabilität, eine Kabinettsumbildung käme ihm noch zu früh, die nächste Landtagswahl ist erst 2026.

Zudem arbeiten Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Strobl eng zusammen. Es gab dem Vernehmen nach eine Vorabstimmung in der Koalitionsspitze - darin habe Hagel signalisiert, dass die CDU Strobl stützen werde. Auch Kretschmann sei klar dafür gewesen, den Weg weiter mit seinem alten CDU-Fahrensmann zu gehen.

Für Strobl war es trotzdem sicher kein angenehmer Abend - aber der Freitag dürfte keinesfalls besser werden. Der Minister muss im Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Die Sitzung dürfte vor dem Hintergrund der Entwicklungen sehr hitzig für den Minister werden. Auch das Präsidium der Südwest-CDU soll spätestens bis Freitag zusammenkommen in der Sache.

© dpa-infocom, dpa:221020-99-200983/4