Es ist ein tragischer Fall: Ein 13-Jähriger konsumiert gemeinsam mit zwei älteren Freunden auf dem Balkon eines Hochhauses in Karlsruhe die Partydroge Lachgas und wirft die Kartusche über die Brüstung. Das Metallteil trifft eine 75-Jährige am Kopf, sie stirbt noch vor Ort an ihren Verletzungen. Der Vorfall in Karlsruhe ist ein Extremfall, aber nicht der einzige, bei dem Lachgas im Spiel ist. In München konsumiert ein 16-Jähriger Lachgas und stürzt von einem Bahnsteig ins Gleis, in Berlin setzt sich ein 20-Jähriger unter dem Einfluss der Droge ans Steuer und verliert die Kontrolle über seinen Wagen.
Auch die baden-württembergische Polizei hat bei ihren Einsätzen immer häufiger mit der Partydroge zu tun. Im Jahr 2023 seien rund 100 Fälle erfasst worden, schreibt das Innenministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte habe man eine deutliche Zunahme der Fälle registriert - besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Um herauszufinden, wie weit der Konsum des Gases im Südwesten verbreitet ist, seien alle polizeilichen Vorkommnisse erfasst worden - auch wenn die Beamten nur leere Gaskartuschen gefunden hätten. Konkrete Zahlen zum Missbrauch des Stoffes würden nicht erfasst. »In letzter Zeit mehren sich Berichte über den Konsum von Lachgas unter jungen Menschen. Dass Lachgas, inzwischen in größeren Gebinden, teilweise mit Fruchtgeschmack versetzt, verkauft wird, spricht für einen steigenden Missbrauch«, schreibt das Ministerium.
Ministerium: Konsum wird auf Tiktok verharmlost
Dass die Polizei immer häufiger in Kontakt mit Lachgas kommt, erklärt sich das Innenministerium damit, dass der Stoff einfach und legal gekauft werden kann. Zudem werde der Konsum in den sozialen Medien, etwa auf Tiktok, verharmlost. »Hier filmen sich Personen beim Konsum und dem anschließenden Rausch, der häufig mit einem «Lachflash» einhergeht«, schreibt das Ministerium in seiner Antwort auf die CDU-Anfrage.
CDU-Fraktionschef Manuel Hagel spricht sich für ein Verkaufsverbot von Lachgas aus. »Ich finde es fast schon heimtückisch, dass das Lachgas in knallfarbenen Verpackungen verkauft wird. Das sieht nach Party, Spaß und Kaugummi aus, in Wahrheit ist das aber eine gefährliche Droge.« Es sei deshalb wichtig, dass sich Baden-Württemberg am Freitag im Bundesrat dafür ausgesprochen habe, den Verkauf von Lachgas zu beschränken.
Auch an Schulen ist Lachgas ein Thema. »Hier ist in den letzten Jahren und speziell in diesem Schuljahr ein deutlicher Anstieg zu beobachten«, sagte Oliver Hintzen, Gesundheits- und Risikoexperte des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Immer öfter verletzten sich Jugendliche beim Konsum des Stoffes - auch in der Schule.
Lachgas, also Distickstoffmonoxid (N2O), ist seit einigen Jahren als Partydroge auf dem Vormarsch. Die Konsumenten atmen den euphorisierenden Stoff über Luftballons ein. Lachgas fällt in Deutschland bisher nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und kann zum Beispiel in Sahnekapseln oder Kartuschen im Supermarkt, in Tabakläden oder im Internet gekauft werden. Andere Staaten haben gesetzliche Regelungen gegen den Missbrauch getroffen. In Großbritannien ist der Besitz von Lachgas seit Ende 2023 illegal, auch die Niederlande und Dänemark haben strenge Vorgaben.
Fünf Todesfälle im Zusammenhang mit Lachgas
Aus Sicht der baden-württembergischen Landesregierung unterschätzen Konsumenten häufig die Gefahren von Lachgas. Der Konsum könne kurzfristig zu Schwindel, Kribbeln in Fingern und Füßen und einem Gefühl der Verwirrtheit führen. »Schwerwiegendere Folgen können während des Konsums durch den Sauerstoffmangel im Blut auftreten. Hierbei kann es zur Bewusstlosigkeit, zum Herz-Kreislauf-Versagen und zu Hirnschäden kommen.« Erstmals wurden im vergangenen Jahr Todesfälle im Zusammenhang mit Lachgas in Baden-Württemberg bekannt. In fünf Fällen sei das Gas mitursächlich für den Tod gewesen.
Auf dem Vormarsch ist im Südwesten neben Lachgas auch Kokain. 2014 erfasste das Innenministerium noch 12 Todesfälle in Zusammenhang mit der Droge, 2023 waren es 36. Rückläufig waren im selben Zeitraum die Todesfälle im Zusammenhang mit Heroin. Sie sanken von 60 im Jahr 2014 auf 30 im Jahr 2023. »Ursächlich hierfür könnte die erhöhte Verfügbarkeit mit zugleich steigendem Wirkstoffgehalt von Kokain und dem dadurch bedingten Wechsel der Konsumentinnen und Konsumenten auf diese Substanz sein«, schreibt das Innenministerium in der Antwort auf die CDU-Anfrage.
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