Stuttgart (dpa/lsw) - Geht ein Wirt in den Ruhestand, stirbt vielerorts auf dem Land gleich das ganze Wirtshaus. »47 Prozent der von uns befragten Dorfgasthaus-Wirte, bei denen die Betriebsnachfolge ansteht, haben keinen Nachfolger«, sagte der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Fritz Engelhardt, der Deutschen Presse-Agentur. Der Trend habe sich beschleunigt, weil viele Gastwirte aufhören. »Die Betriebsnachfolge ist die Sollbruchstelle.«
Selbst große Namen mussten zuletzt aufgeben. Die »Alte Post« etwa - ein früheres Sternerestaurant in Nagold - schloss Ende Oktober nach 350 Jahren ihre Pforten. Das Unternehmen Boysen mit Sitz in Altensteig hat das alte Fachwerkgebäude zwar inzwischen gekauft, sucht aber noch nach einem neuen Pächter. Die »Alte Post« ist kein Einzelfall im Landkreis Calw. 2018 wurden dort nach Daten des Statistischen Landesamtes 121 Gastgewerbe abgemeldet, dem gegenüber standen nur 92 Anmeldungen.
»Wir sehen es als Alarmzeichen, dass in konjunkturell günstigen Zeiten Angebote wegbrechen«, sagte Engelhardt. »Die Umsätze steigen, aber die Erträge sind rückläufig.« Er fordert Unterstützung vom Land: »Wo kein Wirtshaus, da keine Touristen. Sinnvoll wäre deshalb eine Investitionsförderung vom Land.« Der Dehoga denkt an eine Eigenkapitalhilfe, damit es potenzielle Nachfolger einfacher haben.
Vor zehn Jahren gab es schon einmal ein ähnliches Programm von der L-Bank. Damals wurden laut Tourismusministerium 1,5 Millionen Euro Landesmittel gewährt, um die Zinsen zu senken. »Es hat ein enormes Investitionsvolumen von über 100 Millionen Euro in Gang gesetzt«, sagte Engelhardt. Solche Investitionen könnten seiner Ansicht nach auch jetzt helfen. »Die Gasthäuser müssen auch für die Mitarbeiter attraktiv bleiben.« Größe schaffe neue Möglichkeiten auch bei den Arbeitszeiten, weil dann zum Beispiel in mehreren Schichten gearbeitet werden kann.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zweifelt daran, dass solche einmaligen Investitionen die Lösung sind. Die Probleme - insbesondere die Personalnot - seien hausgemacht, argumentiert Gewerkschaftssekretär Alexander Münchow. Zu lange hätten die Gastwirte sich zu wenig um die Arbeitsbedingungen geschert. »Wer für einen Knochenjob kaum mehr als den Mindestlohn zahlt, muss sich nicht wundern.« Denn auch die Beschäftigten müssten höhere Stromkosten und steigende Mieten stemmen.
Offenbar wird es selbst für renommierte Häuser schwierig, Nachwuchs zu finden. Selbst im Falle des einstigen Sternerestaurants »Alte Post« in Nagold führte Chefkoch Stefan Beiter im Herbst Personalnot als Grund für die Schließung an. Auch das »Gasthaus zum Lamm« im mittelbadischen Bühl hat in diesem Jahr aus dem Grund geschlossen.
Tourismusminister Guido Wolf (CDU) hat bislang zwar keine konkrete Lösung für die Branche. Er will das Thema aber in seiner für den Sommer angekündigten Tourismuskonzeption aufgreifen und dabei auch auf die besondere Situation der Landgasthöfe eingehen. Landgasthöfe und Dorfgaststätten seien wichtige Orte der Geselligkeit, sagte er. Sie hätten aber auch eine große Bedeutung für den Tourismus im Land. »Sie laden zu Ausflügen ein und bringen Geld in ländliche Regionen.«
Engelhardt appellierte an die Politik auf allen Ebenen. »Auf Bundesebene würde uns eine Mehrwertsteuererleichterung auf Speisen helfen. 7 Prozent für Essen zum Mitnehmen - aber 19 Prozent für Essen im Gasthaus - das schwächt die Gastronomie im Wettbewerb.« Er sieht aber auch Bürgermeister und Landräte in der Pflicht. »Die Kommunalpolitik kann viel bewirken«, sagte er.
Das sieht man auch beim Gemeindetag so. Kommunen könnten beispielsweise mit den Gastwirten Konzepte erarbeiten, um Touristen anzulocken, aber auch Veranstaltungen in die Gasthäuser verlegen oder die Wirte als Caterer buchen, so eine Sprecherin.
Doch auch dafür braucht es Geld. »Da wo noch Kraft da ist, muss man unterstützen«, sagte Engelhardt daher. »Ein Wirtshaus, das schließt, ist endgültig weg. Die Anfangsinvestitionen bei einer Neueröffnung sind einfach zu hoch.«