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Front gegen Verfassungsschutz: Neue Südwest-Doppelspitze

Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD nun im Südwesten. Die Partei sieht darin einen Versuch, Kritiker mundtot zu machen. Auf dem Parteitag in Stuttgart tun sich aber ganz andere Probleme auf.

Unter verschärfter Beobachtung des Verfassungsschutzes hat die AfD in Baden-Württemberg eine neue Führung gewählt. Nach mehreren Wahlgängen und chaotischen Zuständen auf dem Landesparteitag in Stuttgart sollen der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier und der Landtagsabgeordnete Emil Sänze den Verband in einer Doppelspitze führen. Sie werden unterschiedlichen Lagern zugerechnet und treten die Nachfolge von Alice Weidel an, die sich künftig auf ihre Ämter in Berlin konzentrieren will. Frohnmaier und Sänze kündigten an, den zerstrittenen Landesverband einen zu wollen. Die Südwest-AfD ist tief gespalten zwischen gemäßigt-konservativen Mitgliedern und dem völkisch-nationalen Lager.

Die AfD-Bundesspitze warf in Stuttgart den Regierungsparteien vor, den Verfassungsschutz politisch zu missbrauchen - und kündigte Widerstand gegen die Beobachtung durch den Geheimdienst an. »Wir lassen uns als Alternative nicht kaputtmachen«, sagte Parteichef Tino Chrupalla am Samstag. Es handle sich um den Versuch, die AfD zu diskreditieren und zu zersetzen.

Die AfD wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz und seit kurzem auch vom Verfassungsschutz im Südwesten als Verdachtsfall beobachtet. Der Geheimdienst darf die Rechtspopulisten damit genauer unter die Lupe nehmen und unter strengen Voraussetzungen Mitglieder observieren, Telefone überwachen sowie Informanten anwerben.

Man werde nicht tatenlos zusehen, wie man die AfD mundtot machen wolle, sagte Co-Bundesparteichefin Alice Weidel. Es sei nicht verfassungswidrig, das »Versagen der etablierten Parteien« anzuprangern. Wo sonst in westlichen Demokratien gebe es einen Inlandsgeheimdienst, der von der Regierung eingesetzt werde, um die Opposition zu »infiltrieren und schlecht zu machen«, fragte sie. Sie kündigte an, dass man sich politisch und juristisch zur Wehr setzen werde. Weidel nannte den Vorgang »ungeheuerlich«.

Der Landesverband stritt in der Stuttgarter Messe stundenlang über die Finanzen der Organisation. Es ging um Berichte von Schatzmeistern und Rechnungsprüfern, um angeblich fehlende Belege und die Bewertung von Immobilien. Regelrechtes Chaos brach bei den Wahlen zum Landesvorsitz aus: Die beiden verfeindeten Lager waren in der Halle in so einem ausgewogenen Machtverhältnis vertreten, dass mehrere Kandidaten immer wieder fast identische Ergebnisse erzielten und an der erforderlichen Mehrheit scheiterten.

Auch wenn der Parteitag per Beschluss eine Doppelspitze vermeiden wollte, erklärten sich Frohnmaier und Sänze aufgrund der Pattsituation am Ende dazu bereit. Frohnmaier gehört ins Weidel-Lager, er war bereits zwei Jahre stellvertretender Landesvorsitzender. Sänze, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, wird dem völkisch-nationalen Lager zugerechnet, dessen Einfluss im Südwesten so stark ist, dass der AfD-Landesverband inzwischen als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet wird. »Wir lassen uns nicht unterstellen, dass wir Verfassungsfeinde sind. Die anderen sind die Verfassungsfeinde«, sagte Sänze in seiner Bewerbungsrede.

Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr hatte die AfD im Südwesten herbe Verluste hinnehmen müssen. Sie landete bei 9,7 Prozent - ein Minus von 5,4 Punkten. Ob die neue Doppelspitze die Gräben im Verband zuschütten kann, darf bezweifelt werden. Das hatte sich auch Weidel auf die Fahnen geschrieben, als sie die Führung des Verbands kurz vor der ersten Corona-Welle übernommen hatte. Der Parteitag in der Stuttgarter Messe hätte nicht deutlicher demonstrieren können, dass sie damit hätte erfolgreicher sein können.

Nach den Vorstandswahlen wollten sich die Mitglieder in Stuttgart eigentlich zahlreichen Anträgen widmen. In der Südwest-AfD gibt es etwa Pläne, sich an lokalen Print- und Onlinemedien zu beteiligen, um sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Wie ein solches Vorhaben finanziert werden soll, ist unklar. Auch Weidel schloss nicht aus, dass sich die AfD bei bestehenden Medienhäusern einkaufen könnte. Die AfD müsse sich Gedanken machen, alternative Medienkanäle zu gründen und zu unterstützen, sagte sie der dpa. Zu dem Antrag kam es allerdings nicht mehr: Die Vorstandswahlen dauerten solange, dass der Parteitag am Sonntagabend beschloss, sich nicht mehr mit den Anträgen zu befassen.

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