Stuttgart (dpa/lsw) - Die FDP will zur anstehenden Landtagswahl 2021 auch bei Autofahrern auf Stimmfang gehen. »Wir wollen gezielt um die Verlierer der grün-schwarzen Mobilitätspolitik werben«, sagte Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Wenn er sich die Mobilitätspolitik anschaue, gerade am Standort Baden-Württemberg, nehme er eine einseitige Bevorzugung zugunsten des batterieelektrischen Autos wahr. »Offensichtlich hat diese Regierung nur noch die Stuttgarter Boheme in der Halbhöhenlage im Blick, die dann mit dem Elektro-Smart durch Stuttgart fährt. Wir haben die Verkäufer, die Facharbeiter, die Berufspendler im Blick, also die kleinen Leute.«
Rülke sagte, dass damit nicht die Sozialdemokratisierung der Liberalen betrieben werde, sondern dem Industriearbeiter, der Verkäuferin und dem Berufspendler ein Angebot gemacht werde, das es von anderen Parteien nicht mehr gebe. »Die SPD macht dieses Angebot nicht mehr.« Der Politologe Ulrich Eith kann das Vorgehen von Rülke verstehen. Es sei nachvollziehbar, dass man sich als Opposition Themen suchen müsse, die Kritik an der Arbeit der Regierung hervorriefen. »Das sind Themen, die in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden. Da bietet sich in Deutschland das Thema Auto- und Individualverkehr sicherlich an.«
Der FDP-Politiker sagte, Wahlziel sei es, mindestens einen Teil der grün-schwarzen Landesregierung in die Opposition zu schicken. Als wichtige Themen für den Urnengang 2021 nannte er Mobilität, Bildung und Digitalisierung. Der aus Pforzheim stammende Fraktionschef sagte, am Geld könne es bei der Digitalisierung nicht liegen. »Das heißt, wir brauchen andere Schwerpunkte. Wir brauchen nicht vier Ministerien, die in unterschiedlicher Art und Weise für Digitalisierung zuständig sind, sondern eines mit umfassenden Kompetenzen und Durchgriffsmöglichkeiten.«
Beim Thema Bildung muss nach Überzeugung des Politikers gegen den »ständigen Niveauverlust der baden-württembergischen Schulen« vorgegangen werden. »Indem wir beispielsweise wieder die verbindliche Grundschulempfehlung einführen. Auch wollen wir die Haupt- und Realschulen auf dem Land erhalten. Und wir brauchen einen Schwerpunkt auf der beruflichen Bildung.« Außerdem müsse die Bevorzugung der Gemeinschaftsschule zu Lasten anderer Schulen zurückgedreht werden. »Wir wollen sie nicht schlechtreden, aber es geht einfach nicht, dass die Gemeinschaftsschulen nun den Klassenteiler von 28 haben und alle anderen Schulen von 30.« Der Klassenteiler ist die Zahl, ab der eine Klasse in zwei Klassen aufgeteilt wird.
Rülke, der vom Landesvorstand einstimmig als Spitzenkandidat vorgeschlagen wurde, geht einer möglichen Kampfkandidatur um diesen Posten nicht aus dem Weg. Bei der FDP im Südwesten gebe es die Regelung, dass bei mehreren Kandidaten für die Spitzenkandidatur ein Mitgliederentscheid durchgeführt werden könne. Noch ist aber kein Gegenspieler für Rülke in Sicht.
Dass die CDU nach dem Urnengang stärkste Fraktion wird und damit mit Susanne Eisenmann die erste Regierungschefin im Südwesten stellt, hält Rülke für eher unwahrscheinlich. Die Südwest-CDU mache gerade viele Fehler. Sie nominiere fast zwei Jahre vor der Wahl eine Spitzenkandidatin, die noch dazu aus dem Kabinett und der Kabinettsdisziplin komme. »Außerdem kritisiert sie ihre eigene Parteivorsitzende schärfer, als den Ministerpräsidenten, den sie ablösen will. So wird das wohl nichts werden für die CDU.«