Sozialminister Manne Lucha (Grüne) ist mit einem Appell für eine temporäre Anstalt für drogenabhängige und psychiatrisch erkrankte Straftäter in Heidelberg gescheitert. Der Gemeinderat stimmte am späten Donnerstagabend mit zwei Enthaltungen dafür, den Bauantrag des Landes für die Sanierung des Ex-Knasts »Fauler Pelz« für den Maßregelvollzug um ein Jahr zurückzustellen. Dies war ein Vorschlag von Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos).
Nach rund zwei Stunden Erläuterungen und Appellen waren die Gemeinderäte nicht überzeugt, dass der Maßregelvollzug in dem ehemaligen Gefängnis wirklich im Sommer 2025 ausläuft. Und das obwohl Lucha, ehemaliger Mitarbeiter in der Psychiatrie, sein »psychiatrisches Ehrenwort« gab, dass er keine Dauerlösung anstrebe. Auch seine Erinnerung daran, es gehe hier um eine Allgemeinwohlverpflichtung, fruchtete nicht.
Bei seinem Auftritt im »Wespennest«, wie es eine Stadträtin ausdrückte, versprach er einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Stadt über die Zwischennutzung zu verfassen. »Ich biete ihnen eine offene Beratung über ihre Vorschläge an«. Auch die universitäre Nachnutzung könne verbindlich und schnell geregelt werden. Dafür stehe auch ein betriebsfähiges Gebäude bereit.
Er sei an einer einvernehmlichen Lösung interessiert und wolle die »kalte Schulter« des Gemeinderats aufweichen. Zuvor hatte ein FDP-Stadtrat den von Lucha eingebrachten Vertragsentwurf als eine Unverschämtheit bezeichnet. Insbesondere wurden detaillierte Kostenaufstellungen für die Investitionen von elf Millionen Euro in die Sanierung des Gebäudes und klarere Aussagen zu Vertragsstrafen angemahnt. Viel Kritik musste Lucha auch wegen einer aus Sicht des Gemeinderats mangelhaften Kommunikation einstecken.
Lucha sagte mit Blick auf Überbelegungen in den Kliniken für Psychiatrie: »Die Notlage macht auch vor Heidelberg nicht Halt.« Er betonte, das Misstrauen der Stadträte gegen den Maßregelvollzug sei nicht begründet. Diese glauben nicht an die vom Ministerium angekündigte Interimslösung bis Sommer 2025 und wollen das Gebäude für die Universität vorhalten. Der Minister schilderte die für Patienten und Mitarbeiter unzumutbaren Bedingungen in den Zentren für Psychiatrie. Dort würden bereits Funktions- und Besuchsräume sowie Container genutzt. Die geplanten 80 Plätze in Heidelberg sollten für Entlastung sorgen bis andere Projekte fertiggestellt würden, etwa 100 Plätze in einem neuen Gebäude in Schwäbisch-Hall.
Die Stadträte sind auch wegen eines anderen Konflikts zwischen Land und Stadt gebrannte Kinder. Viele fühlen sich daran erinnert, dass das Land ihnen 2015 versprochen hatte, das Ankunftszentrum für Flüchtlinge zeitlich begrenzt in der Kommune einzurichten. Aus der Übergangs- wurde eine Dauereinrichtung auf dem Gelände der ehemaligen US-Siedlung Patrick-Henry-Village. Lucha sagte dazu: »Ich kann ihnen ihr Patrick-Henry-Village nicht wegtherapieren.« Ein Stadtrat resümierte die Sitzung mit Goethe und sprach damit wohl auch seinen Kollegen und Kolleginnen aus dem Herzen: »Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.«
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