In der Debatte um steigende Kosten für den Führerschein hat der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg die Politik in die Pflicht genommen - auch mit Blick auf erwartete weitere Erhöhungen. Einer ADAC-Berechnung zufolge kann der Weg zum Führerschein mittlerweile bis zu etwa 4400 Euro kosten. Mitverantwortlich dafür seien politische Entscheidungen, wie Verbandschef Jochen Klima laut vorab verbreitetem Redemanuskript anlässlich einer Mitgliederversammlung am Samstag in Pforzheim sagte.
So habe zum Beispiel die Verlängerung der praktischen Prüfung auf 55 Minuten nicht nur die reinen Prüfungskosten beim Tüv und bei der Fahrschule verteuert, auch die Vorbereitung müsse intensiver sein. Auch die in die Prüfung aufgenommene obligatorische Nutzung der im Auto vorhandenen Fahrerassistenzsysteme erfordere zusätzliche Ausbildungszeit.
Viele Kostenfaktoren, aber auch Sparpotenzial
Das Bundesverkehrsministerium arbeite an einer Reform der in die Jahre gekommenen Fahrschüler-Ausbildungsordnung. Nach allem, was bekannt sei, führe das mit Sicherheit zu deutlich höherem Aufwand für die Fahrschulen, erklärte Klima. »Und diesen zusätzlichen Aufwand werden die Fahrschulen selbstverständlich nicht zum Nulltarif leisten können.« Somit sei eine weitere Kostensteigerung absehbar. Aufgabe der Politik sei es, der Bevölkerung dies schon heute offen zu sagen und nicht hinterher über gestiegene Kosten zu lamentieren.
Zudem hätten Fahrschulen massive Kostensteigerungen etwa bei Fahrzeugen, Löhnen, Mieten und Energie. »Das führte zwangsläufig zu gestiegenen Ausbildungspreisen.« Eine solide, nachhaltige Fahrausbildung sei in erster Linie auch ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit. Kritiker dürften nicht »in nostalgischer Sinnestäuschung« die heutigen Kosten und die Anzahl der bis zur Prüfungsreife erforderlichen Fahrstunden mit ihrer oftmals schon vor Jahrzehnten durchlaufenen Fahrausbildung vergleichen, sagte Klima.
Eine Möglichkeit, Kosten zu senken, wäre aus seiner Sicht die ersatzlose Streichung der Automatikregelung. »Die Schweiz hat es vorgemacht. Wer dort die Fahrprüfung auf einem Automatik-Pkw abgelegt hat, darf anschließend ohne weiteres auch Schaltfahrzeuge fahren«, erläuterte der Verbandsvorsitzende. Die Unfallzahlen der Fahranfänger bei Fahrten mit Schaltautos seien nicht angestiegen. Dies sei ein EU-Thema, aber Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) solle über eine Initiative aus Baden-Württemberg nachdenken.
Auch Eltern in der Pflicht
Dass dem Tüv Süd zufolge vergangenes Jahr im Südwesten 43,5 Prozent aller Bewerber bei der Theorieprüfung durchgefallen sind, führte Klima unter anderem darauf zurück, dass die Zahl der Prüfungsfragen auf um die 1300 sehr stark angestiegen sei. Hier sollten viel mehr alte Fragen aussortiert werden. Zudem lasse das Lese- und Sprachverständnis in Teilen der Bevölkerung weiter nach. »Deshalb sollte dringend darüber nachgedacht werden, die im Fragenkatalog teils sehr juristisch verquaste, für viele Menschen schwer verständliche Sprache in Richtung der sogenannten leichten Sprache zu verändern.«
Auch Eltern sieht Klima in die Pflicht. Sie schätzten die Vorbereitungen ihrer Sprösslinge auf die Prüfung häufig falsch ein. »Hinzu kommt, dass die heutigen Fahrschüler ab ihrer frühen Kindheit von den Eltern überall hingefahren werden. Deshalb haben sie oft kaum aktive und für die Fahrausbildung wichtige und nützliche Verkehrserfahrung als Fußgänger oder Radfahrer«, sagte der Verbandschef. Und wer sich auf dem Rücksitz mit seinem Handy und nicht mit dem Verkehrsgeschehen befasse, habe auch kaum Erfahrungen als Mitfahrer. »Sie registrieren also nicht, mit welchen Geschwindigkeiten ihre Eltern unterwegs sind, ob Mama und Papa an Stoppstellen anhalten, ob sie am Zebrastreifen wartende Fußgänger drüber lassen, kurz, wie mehr oder weniger vorbildlich sich die Eltern im Straßenverkehr verhalten.«
Cannabisgesetz als »Bärendienst für die Verkehrssicherheit«
Von der Politik alleingelassen fühlten sich die Fahrschulen zudem mit Blick auf die teilweise Legalisierung von Cannabis, so Klima. »Kiffen ist erlaubt, bekifft fahren soll zwar verhindert werden, aber verboten werden soll es auch nicht.« Die Kolleginnen und Kollegen fragten sich völlig zurecht, wie sie sich verhalten sollten: »Schicken sie den vermeintlich Bekifften nach Hause, obwohl er clean ist, ist Ärger mit den Eltern und Streit um die Bezahlung der ausgefallenen Fahrstunde kaum vermeidbar.« Ließen sie ihren Schüler aber bekifft fahren, müssten sie damit rechnen, dass ihnen das bei einer Kontrolle oder nach einem Unfall zum Vorwurf gemacht werde, führte er aus. »Das Cannabisgesetz ist wahrhaft kein Meisterstück der Verkehrspolitik, sondern eher ein Bärendienst für die Verkehrssicherheit.«
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