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Experte: Im Kampf gegen Krebs Prävention intensivieren

Die Krebsprävention wird nach Ansicht eines Experten in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Dabei stecke in dem Thema viel Potenzial, um die Erkrankung zurückzudrängen.

Mammographie
Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs. Foto: Hannibal Hanschke
Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs.
Foto: Hannibal Hanschke

Im Kampf gegen steigende Zahlen von Krebserkrankungen weltweit muss die Prävention nach Ansicht von Experten stärker in den Vordergrund rücken. Die Erfolge der kurativen Medizin dürften nicht über die hohe Zahl von Krebsneuerkrankungen hinwegtäuschen, betonte der Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Michael Baumann, anlässlich des Weltkrebstages am Freitag. »Es fehlt an evidenzbasierten, kosteneffektiven und flächendeckenden Präventionsangeboten.«

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne)
appellierte angesichts insbesondere während der Coronakrise gesunkener Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen an die Menschen, diese wieder stärker in Anspruch zu nehmen. »Ein früher Nachweis der Erkrankung erleichtert die Therapie«, betonte der Minister. Im Jahr 2021 starben knapp 14.000 Männer und über 12.000 Frauen im Südwesten an den Folgen einer Krebserkrankung. Vor allem Männer seien zur Vorsorge aufgerufen, die laut dem Heidelberger DKFZ durch digitale Lösungen für die Bevölkerung unkomplizierter wird.

Nach Angaben von DKFZ-Chef Baumann erkranken bundesweit noch immer 500.000 Menschen im Jahr neu an Krebs, 200.000 sterben daran. Weltweit werde sich die Zahl der Krebsneuerkrankungen von 19,3 Millionen im Jahr 2020 bis 2030 auf 30 Millionen erhöhen. In Deutschland werde die Zahl bis Ende des Jahrzehnts auf 600.000 Neuerkrankungen im Jahr wachsen. Zwar lebten 65 Prozent der Tumorpatienten - ohne Gebärmutterhals- und Hautkrebs - mindestens fünf Jahre nach der Krebsdiagnose, sie seien damit aber nicht vor Rückfällen geschützt. Insgesamt lebten in Deutschland vier Millionen Menschen mit und nach Krebs, so Baumann.

Zu den jährlich zwölf Millionen verlorenen Lebensjahren durch Autounfälle, Gewalt, Herz-Kreislauferkrankungen tragen bösartige Neubildungen vier Millionen Lebensjahre bei. Diese Zahl zeige, dass Krebs nicht nur eine Krankheit sei, die im hohen Alter bei einer nur noch geringen Lebenserwartung auftrete, sondern die auch in jüngerem Alter zum Tod führen könne. »Selbst so gut ausgestattete Gesundheitswesen wie in Deutschland, USA und der Schweiz werden damit nicht fertig werden können.«

Die erschreckende Entwicklung könne nur gestoppt werden, wenn massiv in den Bereich »Nicht-Krebs-Kriegen« investiert werde. Politik und Gesellschaft müssten für das Thema sensibilisiert werden. Dieses scheine wegen der langen Zeit bis zu spürbaren Erfolgen wenig interessant zu sein. Baumann betonte hingegen: »Prävention muss langfristig gedacht werden.«

Als wichtiges und in Deutschland unterschätztes Instrument der Prävention nannte Baumann die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV), die - im Jugendalter verabreicht - vor Gebärmutterhals-, Penis- und Analkrebs schützen kann. In Deutschland, wo die Impfung vom früheren DKFZ-Chef Harald zur Hausen entwickelt wurde, seien nur etwa 40 Prozent aller Jugendlichen geschützt, in Ruanda dagegen nahezu 100 Prozent. Dort sei die Impfung verpflichtend.

Ähnlich wie bei der Behandlung bereits erkrankter Menschen müsse auch die Prävention stärker individualisiert werden. Die Vorbeugung müsse sich an speziellen Risikofaktoren eines Menschen orientieren, wie Rauchen, ungesunde Ernährung, Übergewicht, hoher Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel. Rund 40 Prozent aller Krebs-Neuerkrankungen könnten vermieden werden, wenn die Menschen krebsfördernde Verhaltensweisen aufgäben.

Bei der Früherkennung spielen digitale Angebote demnach eine immer größere Rolle. So soll bei einer der häufigsten, zugleich aber rückläufigen Krebserkrankungen, dem Darmkrebs, der Zugang mittels Smartphone erleichtert werden. Dabei wird die Stuhlprobe auf eine Testkassette aufgetragen, die sich abhängig vom Hämoglobinwert mehr oder weniger rot färbt. Das Ergebnis wird abfotografiert und über eine App an den Hausarzt verschickt, so die Vorstellung der DKFZ- Forscher, die derzeit eine Studie zu dem Thema auswerten.

Weiteres Beispiel für künstliche Intelligenz in der Früherkennung ist eine federführend am DKFZ entwickelte Hautscreening-App, die Auffälligkeiten präziser und früher diagnostiziert als bislang. Unnötige Biopsien - also Gewebeentnahmen - werden dadurch vermieden.

DKFZ

© dpa-infocom, dpa:230203-99-458185/3