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Ermittlungen gegen AfD-Fraktionschef Gögel

AfD-Fraktionschef Gögel wollte eigentlich Ruhe in seine lange chaotisch wirkende Truppe bringen. Ausgerechnet er steht nun im Zentrum einer neuen Affäre: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 67-Jährigen - und der Landtag will seine Immunität aufheben.

AfD-Bundesgeschäftsstelle
Blick in die Bundesgeschäftsstelle der Alternative für Deutschland (AfD). Foto: picture alliance
Blick in die Bundesgeschäftsstelle der Alternative für Deutschland (AfD).
Foto: picture alliance

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AfD-Fraktionschef Bernd Gögel wegen Schwarzarbeitsvorwürfen. Es gebe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Deshalb befasste sich der Ständige Ausschuss des Landtags am Donnerstag auch mit der Immunität Gögels, wie die dpa aus Kreisen erfuhr. Dabei wurde ein Verfahren zur Aufhebung der Immunität Gögels eingeleitet, hieß es.

Gögel selbst sprach auf Nachfrage von Spekulationen. Er wisse noch von nichts. »Mir liegen keine Unterlagen vor.« Sobald er Einsicht in die Aktenlage habe, werde er mit seinem Anwalt agieren. Zu den konkreten Vorwürfen wollte Gögel nicht Stellung nehmen. Bis zu einem Abschluss des Verfahrens gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung.

Der 67-Jährige ist Speditionskaufmann. Von 2003 an war er selbstständiger Speditionskaufmann und Geschäftsführer in Sulz am Neckar, wie aus seinem Lebenslauf auf dem Internetauftritt des Landtags hervorgeht. Der Betrieb der Spedition sei 2017 eingestellt worden, teilte der Fraktionssprecher mit. Es sei interessant, dass die Vorwürfe ausgerechnet jetzt hochkommen, kritisierte der Sprecher.

Die Immunität schränkt in Deutschland die Strafverfolgung von Abgeordneten sowohl im Bundestag als auch in den Landesparlamenten ein. Ohne Genehmigung zum Beispiel des Landtags darf ein »immuner Politiker« strafrechtlich nicht verfolgt oder festgenommen werden. Dies gilt nicht, wenn der Abgeordnete auf frischer Tat ertappt oder am darauffolgenden Tag festgenommen wird. Das Recht auf Immunität dient nicht dazu, den einzelnen Abgeordneten, sondern vielmehr die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu schützen.

Was der Fall Gögel für die Machtverhältnisse in der Fraktion bedeutet, ist unklar. Die Fraktion hatte in den vergangenen Jahren vor allem mit internen Querelen und Provokationen Schlagzeilen gemacht. Unter den AfD-Abgeordneten tobte jahrelang ein Machtkampf zwischen gemäßigten Kräften und Anhängern des rechten Rands. Gögel gilt als eher gemäßigt und zog als AfD-Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf. Der ehemalige Fraktionsvize Emil Sänze aus dem völkisch-nationalen Lager galt stets als sein Gegenspieler.

Bei der Landtagswahl 2021 musste die AfD herbe Verluste hinnehmen. Gögel versprach zu Beginn der neuen Legislatur eine andere Art des Umgangs im Parlament. Die AfD-Abgeordneten verhalten sich seitdem deutlich zurückhaltender als in den vergangenen Jahren.

Der Fraktionssprecher kündigte bereits an, dass Gögel Fraktionschef bleibe, auch wenn die Immunität aufgehoben werden sollte.

Die »Pforzheimer Zeitung« hatte zunächst über das Thema berichtet. Gögel teilte mit, dass er am Freitag Anzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats gestellt habe, weil der Bericht »auf Insiderwissen von Mitgliedern des Ständigen Ausschusses« beruhe. Nach diesem Bericht sei am Donnerstag ein förmliches Verfahren eingeleitet worden, um seine Immunität aufzuheben, so Gögel.

Der AfD-Abgeordnete Hans-Jürgen Goßner aus dem Wahlkreis Göppingen sprach von einem »ungeheuerlichen Vorgang«, der restlos aufgeklärt werden müsse. »Wenn eben jene Abgeordnete, die gerne für sich in Anspruch nehmen, als einzige «demokratisch» zu sein, den Parlamentarismus derart beschädigen, ist das an Doppelmoral und Heuchelei kaum mehr zu übertreffen«, sagte Goßner. Die Staatsanwaltschaft sei auch hier aufgefordert, zu ermitteln. Die Vorwürfe gegen seinen Fraktionschef wollte Goßner nicht kommentieren.

In der Fraktion vermutet mancher ein parteipolitisches Manöver. »Das Durchstechen ist empörend«, sagte auch Sänze, der mittlerweile Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion ist. Dass Gögel diese Information aus der Presse erfahre, sei eine Ungeheuerlichkeit.

»Herr Gögel sollte schnellstens aufklären«, forderte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. »Gab es Schwarzarbeit in seinem Betrieb? Gab es Steuerhinterziehung? Gab es die Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen? Akzeptiert er eine Vorstrafe? Wenn diese Fragen beantwortet sind, dann stellt sich die weitere Frage nach politischen Konsequenzen.«

© dpa-infocom, dpa:220930-99-957055/5