Die Diskussion über die Zukunft des achtjährigen Gymnasiums (G8) nimmt wieder an Fahrt auf. Eine Elterninitiative startet am Samstag die Sammlung von Unterschriften für einen Volksantrag für die Rückkehr zum Abitur erst nach 13 Jahren. Dies teilten Corinna Fellner und Anja Plesch-Krubner von der Initiative »G9 jetzt« am Freitag in Stuttgart mit.
Sie wollen, dass künftig das Abitur wieder generell nach neun Jahren abgelegt wird. Um die Schüler international wettbewerbsfähiger zu machen, wurde die Zeit bis zum Abitur einst auf zwölf Jahre verkürzt (G8).
Ein Sprecher des Landtags sagte, der Beginn der Unterschriftensammlung sei angezeigt worden. Damit über den Gesetzentwurf im Plenum beraten wird, braucht die Elterninitiative innerhalb eines Jahres die Unterschriften von 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten. In Baden-Württemberg wären das rund 39.000 Unterschriften.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sagte, es gebe im Land bereits ein flächendeckendes Angebot, um in neun Jahren zum Abitur zu gelangen. »Allein an 275 öffentlichen Standorten ist dies möglich.« Unser Augenmerk liege aktuell auf der Qualitätsentwicklung an allen Schulen.
Hingegen verwiesen Fellner und Grubner darauf, dass in vielen Bundesländern bereits zum Abitur nach 13 Schuljahren zurückgekehrt worden sei. »Wir wollen in Baden-Württemberg keine G8-Enklave sein«, sagte Plesch-Krubner. Beide Elternvertreter erklärten weiter, dass die Kinder wegen der verkürzten Schulzeit unter einem starken Leistungsdruck stünden und wenig Freizeit hätten. Michael Mattig-Gerlach von der Arbeitsgemeinschaft gymnasialer Elternvertreter im Regierungsbezirk Stuttgart meinte, dass unter der verkürzten Schulzeit auch die Qualität der vermittelten Bildungsinhalte leide. Man müsse aufpassen, dass man nicht in die Zweite Liga absteige.
G9 gibt es in Baden-Württemberg nur noch als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen. Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sagte: »Die Eltern wollen mehr G9, und das kann die Landesregierung nicht länger ignorieren!« Die FDP forderte »echte Wahlfreiheit« zwischen G8 und G9. Dagegen betonte der Grünen-Bildungspolitiker Thomas Poreski, die Rückkehr zum früheren G9 an allen Gymnasien sei angesichts der bildungspolitischen Herausforderungen keine sinnvolle Perspektive. »Sie würde weit mehr als 1000 zusätzliche Lehrerstellen erfordern und den - im Übrigen bundesweiten - Lehrkräftemangel zusätzlich verschärfen.«
Die beruflichen Gymnasien böten eine hochwertige G9-Alternative in Baden-Württemberg, sagte Thomas Speck, der die Interessen der Pädagogen an beruflichen Schulen vertritt. Er sei schockiert über die scheinbare Unkenntnis vieler Eltern.
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