Schwimmbäder dürften bald häufiger Künstliche Intelligenz (KI) als Unterstützung für Badeaufsichten einsetzen. Necdet Mantar von der Arbeitsgemeinschaft öffentliche Bäder Baden-Württemberg begründete diese Einschätzung mit dem Personalmangel, wenngleich die Technik keine Menschen ersetze. Sie sorge aber dafür, dass Notfälle beziehungsweise mögliche Ertrinkungsfälle schneller an die Fachleute am Beckenrand gemeldet würden, die somit auch rascher reagieren könnten.
»Wir planen im Rahmen der Meisterprüfung unter anderem auch Themen mit KI-basierter Technik für die Aufsicht als schriftliche Arbeiten zu vergeben, um die Hemmschwelle und die Voreingenommenheit im Umgang mit solchen Systemen abzubauen«, teilte Mantar weiter mit. Er ist als Bereichsleiter für die Reutlinger Bäder verantwortlich.
KI-basierte Überwachung in den Schwimmbecken ist seinen Angaben nach in Freudenstadt und Karlsruhe im Einsatz. Andere Bäderbetriebe, zum Beispiel in Pforzheim, planten dies.
Positive Resonanz auf Pilotprojekt
Das Freudenstädter Panorama-Bad hatte vor rund einem Jahr als Vorreiter im Südwesten gestartet: Kameras sollen das Geschehen an den Becken im Blick haben und zum Beispiel die Anzahl der Menschen registrieren. Sie weisen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter anderem auf Überfüllungen oder einen reglosen Menschen im Wasser hin. Das geschieht über Signale auf eine Smartwatch - eine intelligente Armbanduhr.
Das System funktioniere mittlerweile relativ verlässlich, sagte die Geschäftsführerin Ursula Stiefken. Es habe typische Bewegungen von Badegästen gelernt. »Jetzt gibt es deutlich weniger Fehlalarme.« Anfangs habe es etwa auch eine Warnung gegeben, als jemand mit verschränkten Armen in der Nähe des Beckenrands gelegen habe. Einen Vorfall, bei dem mit Hilfe der KI-Unterstützung Leben gerettet werden musste, gab es aber noch nicht.
Die Resonanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei positiv, sagte Stiefken. Die Technik bedeute eine gewisse Sicherheit für das Personal, gerade wenn das Bad voll sei. »Das ersetzt aber keine Aufsichtskraft«, betonte auch die Bäderchefin. »Das System kann halt nicht ins Wasser springen und jemanden rausholen.« Sie spare kein Personal ein.
Fragen der Sicherheit und des Datenschutzes
Auch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) machte klar, dass technische Hilfsmittel die Wasseraufsicht nicht ersetzen könnten. Sie können aber ein Faktor sein bei der Frage, wie viel Personal nötig ist. Weitere Aspekte sind die Zahl der Badegäste, die Art und Größe des Bades, die Anzahl, Größe und Lage der Becken sowie deren Überschaubarkeit etwa im Außenbereich sowie weitere Angebote wie Wasserattraktionen.
Schon seit Jahren gibt es sogenannte Ertrinkenden-Erkennungssysteme. Neu an der KI-gestützten Technik ist die Möglichkeit, bestimmte Bewegungsabläufe vor dem eigentlichen Notfall als Gefahr zu identifizieren. Eine Rolle beim Einsatz spielt auch der Datenschutz, dass die Technik zum Beispiel keine Bilder speichert und keine Verbindungen zu Menschen etwa über persönliche Daten einer Jahreskarte oder eines Mitgliedsausweises herstellt.
Eltern vom Smartphone abgelenkt
Wachsame Augen am Wasserrand können neben Bademeisterinnen und Bademeistern auch private Begleiter haben - etwa Eltern, die auf ihre Kinder aufpassen. In Hamburg hatte ein Sprecher jüngst erklärt, dass manche Eltern fahrlässig mit ihren Kindern umgingen, wenn sie von Handys abgelenkt seien. Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer müssten etwa zehnmal in der Woche eingreifen und Kinder präventiv retten, weil sie unbemerkt von ihren Eltern ins tiefere Wasser geraten seien. Das Personal verteile deshalb mittlerweile gezielt Flyer dazu an die Eltern. Wer sich trotzdem nicht daran halte, »fliegt dann raus«.
Mantar von den baden-württembergischen Bädern hat hier bislang nicht von solchen Fällen gehört. »Das ist ein sehr schwieriges Thema.« Die Eltern auf die Elternaufsicht bei minderjährigen Kindern und auf mögliche Gefahren hinzuweisen, halte er für völlig legitim. Ein Hausverbot oder gar ein Handyverbot zu erteilen, sei schon rein rechtlich gesehen schwierig. »Wir bieten in vielen Bädern ja sogar ein kostenloses Wi-Fi an, einige erledigen Arbeiten, lesen E-Mails oder kommunizieren mit Freunden, Familie und Kollegen.«
Das Personal wäre aus seiner Sicht völlig überfordert, hier zu unterscheiden. Dann gezielt die betroffenen Eltern anzusprechen, würde zu unzähligen und langen Diskussionen führen. In der Folge wäre die Badeaufsicht in ihrer Arbeit beeinträchtigt - und somit könnte auch die Sicherheit anderer Badegäste gefährdet sein, machte Mantar deutlich.
Video geht viral
Das Panorama-Bad in Freudenstadt setzt auf Aufklärung in sozialen Medien: In einer Reihe kurzer Videos auf Instagram informiert das hauseigene Delfin-Maskottchen Flip, wie man sich richtig im Schwimmbad verhält. Ein Mitte Mai veröffentlichter Clip erreichte den Angaben nach sogar weit mehr als sechs Millionen Klicks und über 31.000 Likes. Entwickelt habe die Reihe die Auszubildende bei Freudenstadt Tourismus, Emily Bosch.
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