Logo
Aktuell Land

E-Scooter in Baden-Württemberg: Zwischen Ärger und Hype

Sie blockieren Geh- und Radwege oder stehen auf dem Zebrastreifen: Falsch abgestellte E-Scooter können ein Hindernis im Verkehr sein. Mit strengeren Regelungen wollen manche Städte im Südwesten für Ordnung sorgen.

E-Scooter
Ein Schild weist an der Theodor-Heuss-Straße in der Stuttgarter Innenstadt auf Parkplätze für E-Scooter hin. Foto: Christoph Schmidt/DPA
Ein Schild weist an der Theodor-Heuss-Straße in der Stuttgarter Innenstadt auf Parkplätze für E-Scooter hin.
Foto: Christoph Schmidt/DPA

Mit strengeren Regeln wollen manche Kommunen im Südwesten Probleme mit unachtsam abgestellten E-Scootern in den Griff bekommen. In Stuttgart soll ab September ein verschärftes Konzept gelten. Auch in Heilbronn gibt es bald härtere Regeln für die Anbieter. »Grundsätzlich sind wir aktuell in einer Situation, wo der E-Scooter-Markt stärker reguliert wird«, sagte Natascha Spörle, Sprecherin beim Verleiher Bolt. Was bedeutet das für die beliebter werdenden Roller?

Das ist der Stand der Dinge:

Tausende E-Scooter gibt es vor allem in den großen Städten in Baden-Württemberg. Dem Verkehrsministerium liegen nach eigenen Angaben keine Daten darüber vor, wie viele E-Scooter-Anbieter es im Südwesten gibt.

Zu den beliebtesten Verleihern gehören Lime, Tier, Bolt und Voi. Die meisten Anbieter berichten von steigenden Nutzerzahlen. Der Bedarf an flexibler Mobilität sei deutlich gewachsen, sagte ein Sprecher des Verleihers Voi. E-Scooter seien im täglichen Mobilitätsmix angekommen. Bolt meldete im Raum Stuttgart einen Anstieg der Fahrten um rund 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die steigende Nachfrage spiegelt sich auch im Ausbau der Angebote wider. So erweiterte Voi im März 2023 das Angebot auf Sindelfingen, Pforzheim und Böblingen. Zuletzt investierte Tier Anfang Juli in Markdorf und Überlingen im Bodenseekreis. »In den meisten Städten haben wir unsere Flotten in diesem Jahr ausgebaut«, hieß es.

Das sind die Probleme:

Insbesondere das Blockieren von Geh- und Radwegen durch abgestellte E-Scooter ist laut Gemeindetag Baden-Württemberg eine Herausforderung. Vor allem für Menschen mit Behinderungen seien die Roller eine gefährliche Stolperfalle. Die E-Roller würden die Sicherheit im öffentlichen Straßenraum beeinträchtigen.

Im vergangenen Jahr gab es deutlich mehr Unfälle mit E-Scootern in Deutschland. Bei 8260 Unfällen mit den Rollern kamen Menschen zu Schaden, eine Zunahme um 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Alkohol und Fahren auf dem Bürgersteig gehörten demnach zu den häufigsten Unfallursachen.

Das planen die Kommunen:

Mit strengeren Regeln will die Stadt Heilbronn die Probleme eindämmen. Künftig seien in Heilbronn für E-Scooter definierte Park- und Parkverbotszonen vorgesehen, sagte eine Sprecherin der Stadt. Ab September werde es mit Tier dort nur noch einen E-Scooter-Anbieter geben. »Wir wären in Heilbronn gerne gestartet, haben uns aber bewusst dagegen entschieden«, sagte die Bolt-Sprecherin. Grund dafür seien die Regelverschärfungen gewesen.

Es sei nicht das Ziel gewesen, Anbieter zu vertreiben, hieß es von der Stadt. Doch man wollte mit den strengeren Regeln Ordnung in die Scooter-Thematik bringen. Denn es habe Beschwerden gegeben. Ein komplettes Verbot wie in Paris habe jedoch nie zur Diskussion gestanden.

Die Kommunen können laut Gemeindetag in Baden-Württemberg das Angebot von E-Scootern regulieren. »Es braucht klare Spielregeln für E-Scooter«, forderte der Gemeindetag. Es müsse möglich sein, durch eine Sondernutzungsgebühr für Verleiher das Angebot von Miet-Rollern im öffentlichen Raum zu steuern. Hierzu gebe es derzeit unterschiedliche Rechtsprechung.

In Stuttgart soll eine Sondernutzungsgebühr je Scooter ab September gelten. Zudem werde eine Höchstzahl von 6000 E-Scootern im Stuttgarter Stadtgebiet festgeschrieben, hieß es von der Stadt.

Das sagen die Anbieter:

Die Verleiher sehen auch Städte und Kommunen in der Pflicht und sprechen sich zum Teil für stärkere Regulierungen aus. »Ein gutes Regulierungskonzept ist ein Gewinn für alle Seiten«, sagte Stephan Bölte, Deutschland-Chef von Voi.

»Aktuell sind die Kommunen ein Stück weit auf sich gestellt und machen ihr eigenes Ding«, sagte die Bolt-Sprecherin. Oft würden den Verwaltungen personelle und finanzielle Ressourcen fehlen. Es brauche mehr Abstellplätze für E-Scooter- und Fahrradfahrer.

»Eher weniger interessant für uns sind zu wenig regulierte und damit sehr umkämpfte Märkte beziehungsweise auch zu sehr regulierte Märkte mit sehr hohen Gebühren«, hieß es von Tier. »Wir sehen leider, dass einige Städte vermehrt versuchen, durch die Einführung hoher Gebühren das Angebot für E-Scooter einzuschränken«.

Vereinzelt verlassen Anbieter von E-Scootern auch Städte in Baden-Württemberg. Lime zog sich zuletzt aus Karlsruhe und Neckarsulm zurück. Unter anderem ein gesättigtes Angebot und eine zu geringe Nachfrage nannte das Unternehmen als Gründe für den Rückzug.

Das könnte die Zukunft bringen:

Einzelne Verleiher berichten von der Attraktivität ländlicher Gebiete. So hat Lime in Reutlingen in den gesamten Landkreis expandiert, wie ein Sprecher mitteilte. Nun hätten auch kleinere Städte wie Engstingen, Münsingen oder St. Johann Zugang zu den Scootern. Auch Bolt will sich nicht nur in den größten Städten etablieren. Es mache Sinn für die letzte Meile bis zur Haustür auch kleinere Städte und Randgebiete zu erschließen, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:230730-99-605501/2