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Durchbruch im schwelenden Streit um »Faulen Pelz«

Der Ex-Knast »Fauler Pelz« in Heidelberg hat allerlei Begehrlichkeiten geweckt. Land und Kommune hatten sich mit ihren divergierenden Nutzungsvorstellungen ineinander verhakt. Den Gordischen Knoten scheint nun eine Schlichter-Gruppe durchschlagen zu haben.

Gefängnis »Fauler Pelz«
Eine Treppe führt zu einem Gebäude des ehemaligen Gefängnisses »Fauler Pelz«. Foto: Uwe Anspach
Eine Treppe führt zu einem Gebäude des ehemaligen Gefängnisses »Fauler Pelz«.
Foto: Uwe Anspach

Der Dauerclinch zwischen der Stadt Heidelberg und dem Sozialministerium über die Nutzung des ehemaligen Gefängnisses »Fauler Pelz« ist beendet. Im Juli sollen 80 suchtkranke Straftäter in das Gebäude in der Heidelberger Altstadt einziehen, teilten beide Seiten am Dienstag in Stuttgart mit. Damit wird dem Wunsch des Sozialministeriums nach mehr Platz für den sogenannten Maßregelvollzug, in dem suchtkranke und psychisch erkrankte Straftäter therapiert werden, entsprochen.

Die Stadt Heidelberg hatte sich lange gegen die Unterbringung der suchtkranken Patienten in dem landeseigenen Gebäude gesträubt. Sowohl der Gemeinderat als auch das Landeskabinett stimmten nun einem Eckpunktepapier zu, auf dessen Grundlage ein einvernehmliches Verfahren ausgearbeitet wird. Derzeit sind vor Gericht mehrere Verfahren zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Heidelberg anhängig. Auf Grundlage des Papiers streben beide Seiten vor Gericht einen Vergleich und damit ein Ende der Verfahren an.

Die Einigung kommt vor allem Sozialminister Manne Lucha (Grüne) zugute. Die Opposition wirft ihm vor, er habe sich nicht genug um die absehbaren Engpässe gekümmert und damit zur vorzeitigen Freilassung von Straftätern beigetragen. Wenn diese zu lange auf einen ihnen vom Gericht zugewiesenen Platz im Maßregelvollzug warten, müssen sie vor Ablauf der Haftzeit auf freien Fuß gesetzt werden.

Deren Zahl lag laut FDP-Fraktion bei 30 im Jahr 2022. Der Eingriff in die kommunale Planungshoheit sei ein einmaliger Vorgang, der das bewährte Miteinander zwischen Land und Kommunen auf den Kopf stellte, kritisierte die Landtagsfraktion. Lucha trage die Verantwortung, dass Baden-Württemberg bei der Erweiterung der Plätze im Maßregelvollzug von der absehbaren Entwicklung regelrecht überrollt wurde. Dem pflichtete die SPD im Landtag bei.

Im September 2022 waren etwa 1400 Menschen im Maßregelvollzug - ein Drittel mehr als 2017. Es gibt viele Gründe für die angespannte Situation in Baden-Württemberg. Die sieben Zentren für Psychiatrie, wo die Therapien stattfinden, sind randvoll. Neben der Verdichtung in den bestehenden Einrichtungen, die zu Aggressionen unter den Patienten führen, sind Neu- und Erweiterungsbauten geplant, die aber nicht kurzfristig Luft verschaffen. Durch Neubauten an den Standorten Calw und Wiesloch werden erst Ende 2023 oder Anfang 2024 rund 100 neue Therapieplätze geschaffen.

Gemeinderat und Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) hatten angesichts von geplanten 11 Millionen Euro für die Sanierung eine Dauerlösung befürchtet. Sie hatten den Komplex aus dem Jahr 1848 für die ebenfalls unter Platzmangel leidende Universität reklamiert. Das Land sichert aber eine Nutzung von 24 Monaten zu. Wird die Frist überschritten droht eine Vertragsstrafe. Das Land verpflichtet sich allerdings, die Patienten aus dem Faulen Pelz bis zum 1. Juli 2025 in die derzeit im Bau befindliche Anstalt in Schwäbisch Hall zu verlegen.

Die Auseinandersetzung war teils recht rau. Lucha warf der Kommune »ausgeklügelte Salamitaktik« und dem Baurechtsamt »Drangsaliererei« vor. Er attackierte Stadtoberhaupt Eckart Würzner (parteilos): Sein Vorgehen sei des Oberbürgermeisters einer Universitätsstadt nicht würdig. Lucha wertete die Vereinbarung als einen sehr wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Bevölkerung und zur Versorgung suchtkranker Straftäter.

Würzner betonte nach der Einigung: »Die Unterbringung von psychisch kranken Straftätern in einem alten Gefängnis ist eine absolute Notlösung.« Sie dürfe nicht zu einem Dauerzustand werden. Und die bereits geplante Nachnutzung durch die Universität dürfe nicht verzögert werden. Als Erfolg wertete er, dass das Land bereits heute Planungsschritte und Gelder für das Uni-Projekt in den kommenden Jahren zusage.

© dpa-infocom, dpa:230425-99-442334/3