Er sprach von einer »regelrechten Flut«, die zu einem Stau aller anderer Zivilverfahren führe, etwa zu Verkehrsunfällen oder Bauprozessen. Ein erstinstanzliches Zivilverfahren habe 2017 im Schnitt noch 6,8 Monate gedauert, 2021 dauerte es bereits 8 Monate. Die Beschäftigten seien seit fünf Jahren am Anschlag, sagte Singer.
Die Zahl nicht abgeschlossener Verfahren habe sich seit 2017 verdoppelt, Ende vergangenen Jahres seien es 13.000 beim Landgericht gewesen. »Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist in Gefahr«, sagte Singer. Ein Ende der Massenverfahren sei nicht in Sicht.
Gerichte hätten noch immer keine geeigneten prozessualen Instrumente, um mit den Massenklagen umzugehen, kritisierte der Landgerichtspräsident. Auch nach dem Anschluss an eine Musterfeststellungsklage müssten Betroffene ihren Schaden jeder für sich selbst einklagen. »Der Bundesgesetzgeber lässt die Gerichte und Verbraucher im Stich«, sagte Singer. Wertvolle Ressourcen der Justiz würden verbrannt. Singer pochte auf die Einführung eines sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens zum Bundesgerichtshof, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Zudem müsse der Bund eine über die bisherige Musterfeststellungsklage hinausgehende Sammelleistungsklage einführen, sagte Singer.
Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentes unterstützte die Kritik von Präsident Singer. »Es ist ein berechtigter und deutlicher Appell aus der Praxis. Wir brauchen bundesgesetzliche Regelungen, um die Rechtsfragen, die Massenverfahren zugrundeliegen, zeitnah höchstrichterlich zu klären«, teilte die CDU-Politikerin mit.
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