Logo
Aktuell Landgericht

Dieselaffäre lässt Berg von Klagen wachsen

Die Zivilrichter am Stuttgarter Landgericht sitzen vor einem Stapel aus mehr als 10.000 laufenden Verfahren. Ein großer Teil davon dreht sich um die Dieselaffäre. Und vor allem Daimler steht an seinem Stammsitz im Fokus.

Landgericht Stuttgart
Ein Schild weist an einer Fassade auf das Landgericht Stuttgart hin. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild
Ein Schild weist an einer Fassade auf das Landgericht Stuttgart hin. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

STUTTGART. Die Dieselaffäre mit all ihren Facetten sorgt beim Landgericht Stuttgart für einen stetig wachsenden Berg an Klagen gegen die Autohersteller. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gingen rund 1700 neue Klagen von Besitzern eines Mercedes-Benz-Diesels am Landgericht ein. »Das sind bereits mehr Klagen als im gesamten Jahr 2019 mit 1500 Neueingängen«, sagte Gerichtspräsident Andreas Singer am Freitag.

Aber auch insgesamt sei der Bereich der Zivilverfahren stark belastet. Erstmals sei die Schwelle von 10 000 anhängigen Verfahren überschritten worden. Man stemme sich dem mit aller Kraft entgegen und reagiere unter anderem mit einer stärkeren Spezialisierung der Kammern und der Richter. »Klar ist aber auch, dass wir angesichts der schieren Masse auf weitere Verstärkung angewiesen sind«, sagte Singer.

Was die Dieselklagen angeht, hat Daimler mit rund 3200 in Stuttgart mittlerweile zu Volkswagen aufgeschlossen. Dazu gehören nicht nur die Verfahren, in denen Autobesitzer dem Konzern die Verwendung unzulässiger Abgastechnik vorwerfen und deswegen Schadenersatz verlangen. Es zählen auch die Klagen dazu, in denen wegen angeblich fehlerhafter Widerrufsbedingungen in Finanzierungsverträgen die Rückabwicklung des Kaufs verlangt wird: Nach Erfahrung des Gerichts steckt auch dahinter meist die Absicht der Kläger, ein unliebsames Diesel-Fahrzeug wieder loszuwerden. Der Streitwert liegt nach Angaben des Gerichts im Schnitt bei 35 000 Euro je Fall.

Stuttgart ist nicht das einzige Landgericht, an dem Mercedes-Besitzer gegen den Hersteller klagen können, nach Singers Beobachtung aber das mit Abstand am häufigsten adressierte. Allein an Schadenersatzklagen seien bundesweit an Landgerichten inzwischen rund 3230 Fälle entschieden, heißt es von Daimler - nur 130 davon gegen das Unternehmen. Auf Ebene der Oberlandesgerichte sei von mehr als 100 Entscheidungen noch keine einzige gegen Daimler ergangen, sagte ein Sprecher. Der Konzern hält die Abgastechnik in den Autos für rechtlich in Ordnung und die Klagen für unbegründet.

Ende Oktober wird sich erstmals der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit Daimler und dem Diesel befassen. Singer hofft, dass damit dann schneller Klarheit geschaffen wird, als es bei Volkswagen der Fall war. »Wir müssen diese Verfahren schneller in die letzte Instanz bekommen«, sagte er.

Noch einmal ganz andere rechtliche Fragen werfen die Klagen von Anlegern auf, die ebenfalls im Zusammenhang mit der Dieselaffäre Schadenersatz verlangen. Zwei Spezialkammern beschäftigten sich mit fast 100 Klagen gegen Daimler und rund 250 gegen VW und die Holding Porsche SE. Zudem sind am Stuttgarter Landgericht aktuell 280 Schadenersatzklagen zum sogenannten Lkw-Kartell anhängig, die sich fast alle zumindest auch gegen Daimler richten. (dpa)