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Diesel Fahrverbote: Reutlinger Urteil macht Stuttgartern Hoffnung

Im April entscheidet sich, ob die Landeshauptstadt auch für Euro-5-Diesel Fahrverbote verhängen muss

Diesel-Fahrverbot in Stuttgart
Ein Schild an einer Straße weist auf Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge hin. Foto: Christoph Schmidt/dpa
Ein Schild an einer Straße weist auf Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge hin. Foto: Christoph Schmidt/dpa

STUTTGART. Anfang April erwartet das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) das entscheidende Gutachten zu der Frage, ob in Stuttgart nach dem Euro-4-Dieselfahrverbot auch eines für Euro 5 ausgesprochen werden muss. Das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig eröffnet dem RP und der Landesregierung neuen Spielraum für die Beurteilung.

Von der nächsten Fahrverbotsstufe wären in der dafür geplanten kleinen Umweltzone die Stadtbezirke Mitte, Nord, Süd (ohne Kaltental), West und Ost (ohne Frauenkopf) sowie Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen betroffen. In diesem Bezirken sind aktuell 9 771 Euro-5-Dieselfahrzeuge gemeldet. Sie könnten bei einem Verbot nicht mehr bewegt werden. Darüber hinaus gibt es in Stuttgart weitere rund 9 500 Euro-5-Diesel, in der Region laut Kfz-Innung rund 145 000.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) pochte als Klägerin für saubere Luft in der jüngsten Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart auf eine Euro-5-Dieselverbotszone für das gesamte Stadtgebiet. Dabei bezog sich die DUH auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts von Februar 2018. Von den Stuttgarter Richtern erhielt sie am 21. Januar Rückendeckung. Erstmals wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 25 000 Euro erhoben – das höchste gegen eine Landesregierung.

Verhältnismäßig schwierig

Das Leipziger Urteil von Ende Februar 2020, das den Luftreinhalteplan für Reutlingen betrachtet, hat die Lage nun aber grundsätzlich verändert. Der Senat hat die Verhältnismäßigkeit eines Verbots erneut thematisiert und festgestellt, dass es dann unverhältnismäßig sein kann, wenn der Grenzwert (40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel) nach einer Prognose »auf hinreichend sicherer Grundlage in Kürze eingehalten werden kann«. Diesen Leitsatz haben die Leipziger Richter nicht konkretisiert. Was bedeutet »in Kürze«? »Das Gericht nennt keine Monatszahl«, so Carsten Tegethoff, der Pressesprecher des Gerichts.

Das Fahrverbot für Euro-5-Diesel soll nach den Plänen des RP vom 1. Juli 2020 an ganzjährig gelten. Doch was geschieht, wenn das neue Gutachten die Einhaltung der 40er-Grenze zum 31. Dezember dieses Jahres voraussagt? Oder bis zum Jahresende zwar 46 oder 44 Mikrogramm ermittelt, die 40 aber nur ein paar Monate später erreicht werden würden? Wäre ein Fahrverbot noch zu rechtfertigen, wenn die EU-Vorgaben einige Monate später sowieso eingehalten würden? »Man muss das Verbot anhand des jeweiligen Einzelfalls prüfen«, so Tegethoff. Das Gericht werde dabei auch »die Entwicklung der Werte in der jüngsten Zeit in den Blick nehmen«.

Die Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerte sind nach starker Abnahme in 2019 in Stuttgart seit Dezember erneut gesunken. An der Messstelle an der Hohenheimer Straße bis Ende Februar von 50 auf 47, am Neckartor von 53 auf 50 Mikrogramm. In der Talstraße wurden bei Sondermessungen Ende 2019 noch 48, in der Pragstraße 55 Mikrogramm ermittelt. Und an fast allen Zusatzmessstellen, auf die die CDU in der Landesregierung 2019 drängte, finden sich unproblematische Werte von um die 20 bis 30 Mikrogramm.

Bei Grünen und CDU in der Landesregierung gilt ein weiteres Fahrverbot kurz vor der OB-Wahl als zu vermeidender Unfall. Auch im Staatsministerium von Winfried Kretschmann heißt es, es sei naheliegend, dass sich bei Gutachten-Werten von 44 oder 45 Mikrogramm die Frage der Verhältnismäßigkeit stellen werde. Die Regierung würde die Verwaltungsrichter wohl um Konkretisierung ersuchen – und so Zeit gewinnen.

In einem Gutachten begegnet das Regierungspräsidium schon jetzt der DUH-Forderung nach einer stadtweiten Euro-5-Dieselverbotszone. Berechnungen zeigten, dass die Größe der Verbotszone »in den relevanten Bereichen mit prognostizierter Grenzwertüberschreitung keine nennenswerten Unterschiede« erbringe. Aufgrund der Verhältnismäßigkeit sei daher im nächsten Schritt die kleine statt der stadtweiten Umweltzone ausreichend, heißt es.

RP-Präsident Wolfgang Reimer (Grüne) bekannte sich bei der Kfz-Innung Anfang März als »großer Fan der Nachrüstung«. Wer Hardware zur Abgasreinigung verbaue, senke die Stickstoffdioxidwerte und helfe, ein weiteres Fahrverbot zu vermeiden – und er wird dauerhaft davon ausgenommen.

Die Innung sieht dafür in der Region Stuttgart einen großen Markt. Allein 70 000 Euro-5-Diesel von Volkswagen und Mercedes könnten nachgerüstet werden. Beide Firmen beteiligen sich daran unter bestimmten Bedingungen mit bis zu 3 000 Euro. »Wir brauchen Zeit, um die Kunden zu überzeugen«, sagt Carsten Beuß, Hauptgeschäftsführer des Kfz-Gewerbes. (dpa)