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Die »zauberhafte Kretschmann-Formel«: Opposition rechnet ab

»Peinlich«, sagen SPD und FDP, »erstklassig«, sagt die Regierung. An der Ein-Jahres-Bilanz von Grün-Schwarz scheiden sich naturgemäß die Geister. Doch die harsche Kritik geht den Koalitionären ganz schön auf die Nerven.

Landtag Baden-Württemberg
Andreas Stoch (v), SPD-Fraktionsvorsitzender, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Marijan Murat
Andreas Stoch (v), SPD-Fraktionsvorsitzender, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Foto: Marijan Murat

Die Opposition hat der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg für ihr erstes Jahr im Amt ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. »Peinlich« nannte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch den Fortschritt beim Ausbau der erneuerbaren Energien. »Man müsste lachen, wenn es nicht zum Heulen wäre«, sagte Stoch am Mittwoch in einer aktuellen Debatte in Stuttgart. Der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fehle es in allen wichtigen landespolitischen Feldern an Gestaltungswillen und Konsens. Geld sei genug da. »Sie könnten handeln, wenn sie nur wollten.« Die FDP sprach von »Arbeitsverweigerung« bei Grün-Schwarz.

Strobl gibt Kontra und attackiert die Ampel

Für die Regierung hielt vor allem Vize-Ministerpräsident Thomas Strobl dagegen. Die Koalition arbeite »stabil und verlässlich« daran, das Land krisenfest aufzustellen. Er lobte insbesondere die »größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der Landespolizei«. Strobl hielt SPD und FDP vor, die Politik der neuen Ampel-Bundesregierung sei alles andere als erstklassig. Bei der Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen habe sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen »schlanken Fuß« gemacht und fast alles Ländern und Kommunen überlassen. Und während Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Tankgutscheine an die Menschen verteilen wolle, herrsche bei Grün-Schwarz das Prinzip der »schwäbischen Hausfrau«: »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.«

Rülke verspottet grün-schwarze »Comedy-Show«

Für FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist das Jubiläum der Koalition am 12. Mai Anlass für Spott: »An Stelle dieser Landesregierung würde ich mich für meine Jahresbilanz derart schämen, dass ich den Versuch unternehmen würde, das Jubiläum zu vertuschen.« Vor allem mit der Corona-Politik der Regierung ging der Freidemokrat hart ins Gericht. Diese habe in den vergangenen zwölf Monaten »eher einer Comedy-Show als seriöser Landespolitik« geglichen. Im Landtag sagte er, die Energiepolitik sei »gaga«, die Schulpolitik ambitionslos - und es gehe immer weiter bergab in Baden-Württemberg. Statt die eigene Politik zu verteidigen, kritisiere die Koalition den Bund. Das sei ein »klassisches Ablenkungsmanöver«, sagte der Liberale.

Koalition wirft Rülke Polemik vor

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz reagierte genervt auf Rülkes Ausführungen. »Ich bin irritiert, wie das Niveau bei Ihnen sinkt«, rief der Grüne dem Liberalen zu, als dieser über Windkraft sprach. Der FDP-Politiker hielt ihm entgegen, wenn es Kritik an den Plänen der Koalition gebe, raste Schwarz sofort aus. Strobl weigerte sich, in seiner Rede auf Rülke zu reagieren. »Das war nackte, inhaltslose Polemik.« Daniel Lede Abal, grüner Fraktionsgeschäftsführer, sagte später, Rülke habe erneut gezeigt, warum es eine gute Entscheidung der Grünen gewesen sei, vor einem Jahr mit der CDU ein Bündnis einzugehen und nicht mit FDP und SPD zu koalieren.

Die SPD entdeckt die »zauberhafte Kretschmann-Formel«

Als »zauberhafte Kretschmann-Formel« bezeichnete Oppositionsführer Stoch den grün-schwarzen Koalitionsvertrag mit dem Titel »Jetzt für morgen«. »Bei Grün-Schwarz dürfen die Grünen immer alle Wünsche formulieren und die Schwarzen dürfen sich ziemlich sicher sein, dass wenig bis gar nichts davon Wirklichkeit wird.« Die Kretschmann-Formel sei vielleicht »segensreich« für die Koalition, aber nicht für das Land.

»Wenn überhaupt etwas in Bewegung kommt, dann nur auf massiven Druck«, sagte Stoch. In Baden-Württemberg sei das Wohnen mit am teuersten in ganz Deutschland. »Warum tut diese Landesregierung, als ginge sie das nichts an?« Auch beim Thema Bildung rechnete Stoch mit der Landesregierung ab. Die SPD fordere 1000 neue Lehrerstellen. »Eine bestmögliche Bildung und Betreuung ist kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit. Eine zwingende Notwendigkeit für eine gute Zukunft unseres Landes.«

Umweltverbände dringen auf mehr Tempo beim Klimaschutz

Selbst die Umweltverbände BUND und Nabu stellten der Regierung nur ein gemischtes Zeugnis aus. Sie forderten Grün-Schwarz zu mehr Engagement beim Klima- und Flächenschutz auf. Lob gab es für einige ambitionierte Ziele, Kritik jedoch an der schleppenden Umsetzung dieser Ziele.

© dpa-infocom, dpa:220503-99-143110/6