REUTLINGEN. Seit Sonntag gilt bei der Einreise nach Deutschland die Testpflicht. Damit soll eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zum Ende der Sommerferien verhindert werden. Rückkehrer ab zwölf Jahren müssen genesen, vollständig geimpft oder negativ getestet sein. Den Nachweis haben sie bei sich zu führen, egal woher und mit welchem Verkehrsmittel sie kommen. Ob die neue Regelung befolgt wird, kontrolliert die Bundespolizei. Im Einsatz sind die Beamten auch in Baden-Württemberg, wo Urlauber die französische Grenze etwa bei Kehl und die Schweizer Grenze bei Weil am Rhein passieren. An Tag fünf ist es an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen: Hat die Testpflicht den Praxistest bestanden? Von kooperationswilligen Urlaubern, zufällig geschnappten Drogendealern und rechtlich begrenzten Grenzschützern berichtet Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft, im GEA-Interview.GEA: Die Politik spricht von »stichprobenartigen Kontrollen«. Wie funktioniert das in der Praxis?
Heiko Teggatz: Die Bundespolizei kontrolliert den gesamten grenzüberschreitenden Verkehr: also an den Flughäfen, in den Zügen und auf den Straßen. Für Autos hätten wir als Gewerkschaft uns allerdings temporär stationäre Kontrollen gewünscht. Dann hätten die Kollegen sich direkt an den Grenzübergängen zu den Nachbarländern postieren können. Ob sie nur Stichproben oder alle Fahrzeuge überprüfen, hätten sie selbst je nach Lage vor Ort entschieden. Ausländern ohne Nachweis hätten sie die Einreise verweigert. Solche Kontrollen gab es bereits während der ersten Corona-Welle 2020 an den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg und der Schweiz. Sie haben zum Rückgang der Inzidenzen geführt. Angesichts der sich ausbreitenden Delta-Variante sollte überlegt werden, diese Kontrollen wieder einzuführen. Möglich wäre das trotz der grundsätzlichen Abschaffung von Grenzkontrollen in der EU. Dafür müsste die Bundesregierung die Maßnahmen mit Verweis auf die besondere Sicherheitslage der Europäischen Union anzeigen. Das würde den Kollegen der Bundespolizei Flexibilität und Rechtssicherheit geben, ist aber nicht geschehen. Deswegen kontrollieren wir nur stichprobenartig mobil im Hinterland. Wir zeigen recht große Präsenz entlang der Hauptverkehrswege: also auf Autobahnen sowie stark befahrenen Bundes- und Landesstraßen.
Es werden also nicht alle, sondern nur manche kontrolliert. Ist die Versuchung nicht groß, sich durchzumogeln?
Teggatz: Ich gehe davon aus, dass niemand für die Einschleppung einer Virus-Variante nach Deutschland und damit den nächsten Lockdown verantwortlich sein möchte. Außerdem werden Verstöße mit bis zu 25 000 Euro Bußgeld bestraft. Dieses Risiko würde ich nicht eingehen. Das wirkt abschreckend.
Wenn trotzdem jemand ohne Nachweis in eine Kontrolle gerät: Was passiert dann?
Teggatz: Der kann weiterreisen – egal ob er in Deutschland lebt oder hier nur Ferien macht. Die Bundespolizei stellt die Personalien fest und informiert das Gesundheits- und Ordnungsamt am Wohn- beziehungsweise Urlaubsort. Das Gesundheitsamt kontrolliert dann, ob der Test inzwischen nachgeholt wurde und verhängt gegebenenfalls eine Quarantäne. Das Ordnungsamt erlässt ein Bußgeld. Einen bundeseinheitlichen Katalog gibt es dafür nicht, das handhaben die Länder unterschiedlich. Aber was ich so gehört habe, liegt die Strafe meist zwischen 250 und 300 Euro. Die Höhe der Geldbuße orientiert sich an der Schwere des Verstoßes: Ein Coronaleugner, der sich zum fünften Mal erwischen lässt, zahlt mehr als jemand, der bloß nicht mitbekommen hat, dass er einen Test braucht.
Die Neuregelung hat die Regierung kurzfristig beschlossen. Sind die Reiserückkehrer vorbereitet?
Teggatz: Die Menschen, die wir kontrolliert haben, hatten ihre Impfpässe oder Testnachweise griffbereit. Die Befürchtungen der Politik haben sich nicht bewahrheitet. Die Menschen machen ja nicht alle Urlaub am Nordpol. Funk und Fernsehen gibt es auf jedem guten Campingplatz.
Tatsächlich dominierte die neue Einreise-Testpflicht die Berichterstattung der letzten Tage. Gab es trotzdem Verstöße?
Teggatz: Zahlen für Baden-Württemberg habe ich nicht. Aber deutschlandweit hat die Bundespolizei vom 1. bis 3. August 215 171 Personen kontrolliert und dabei 914 Verstöße gegen die Nachweispflicht (0,4 Prozent) festgestellt. Zusätzlich erfasste die Bundespolizei allein am Wochenende 150 unerlaubte Aufenthalte, 50 Drogendelikte sowie 10 Urkundenfälschungen, landete 200 Fahndungstreffer und vollstreckte 25 Haftbefehle. Wie unser Präsident sagte: »Wir haben kurz das Licht angeschaltet.« Solche Fahndungen machen die Dunkelziffer grenzüberschreitender Kriminalität sichtbar.
»Wir kontrollieren stichprobenartigmobil im Hinterland«
Erst Teneriffa, dann Test: Was halten die Rückkehrer von den Kontrollen?
Teggatz: Allgemein stoßen die Kontrollen auf Verständnis. Hätte es gehäuft Beschwerden oder sogar Widerstand gegeben, wüsste ich davon. Auch die befürchteten Staus sind ausgeblieben. Das liegt schlichtweg daran, dass wir eben nicht stationär, sondern nur stichprobenartig kontrollieren.
Kontrollen bedeuten Mehrarbeit für die Bundespolizei. Bleibt deswegen andere Arbeit liegen?
Teggatz: Wenn die Politik solche Verordnungen erlässt, dann müssen auch die Einhaltung kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden. Dabei stellt sich für mich als Gewerkschafter die Frage, wie meine Kollegen dabei abschneiden. Mittlerweile ist die Bundespolizei sehr erprobt – auch was die Kurzfristigkeit angeht. Für uns kommt die Verordnung nicht so ad hoc wie für die Reisenden. Die Kollegen sehen das größtenteils als Routine-Einsatz. Personell können wir das gut stemmen. Selbst für flächendeckende stationäre Kontrollen hätten wir Kapazität. Wir haben eine große Bereitschaftspolizei und viele mobile Einheiten. Diese Kräfte führen die Maßnahmen durch, sodass in den Direktionen die Alltagsaufgaben erledigt werden wie immer. (GEA)
ZUR PERSON
Seit gut 30 Jahren ist Heiko Teggatz bei den Grenzschützern. 1990 fing er bei der Bundespolizei – damals noch Bundesgrenzschutz genannt – in Lübeck an. Es folgten Einsätze an der tschechischen und polnischen Grenze sowie am Berliner und Hamburger Hauptbahnhof. Seit 2012 gehört Teggatz der Einheit am Flughafen Hamburg an. Inzwischen ist er freigestellt für die Personalvertretung. Er ist Mitglied im Haupt- personalrat der Bundespolizei, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft innerhalb der DPolG. Der 48-jährige, verheiratete Polizeioberkommissar lebt in Wahlstedt, Schleswig-Holstein. (mis)