Karlsruhe (dpa) - Grab V hat es in sich. Im Nordteil entdeckt Heinrich Schliemann im Jahr 1876 einen Leichnam. Auf dem Gesicht eine goldene mondförmige Maske, auf der Brust eine goldene Platte, um den Toten herum Bronzeschwerter, goldene und silberne Kelche sowie Alabastervasen.
Was dem deutschen Ausgräber im griechischen Mykene fast den Atem raubt, ist der Zustand des Körpers: »wunderbar erhalten«, fast mumienartig, schwärmt er. So hat sich der Homer-Fan Agamemnon vorgestellt, den Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg.
Nun ist die Maske aus der Zeit um 1600 vor Christus erstmals in Deutschland zu sehen. Sie ist ein Highlight der großen Mykene-Schau »Die sagenhafte Welt des Agamemnon« ab Samstag im Karlsruher Schloss (bis 2. Juni 2019).
Schliemanns Begeisterung wird nicht von seinen griechischen Kollegen geteilt. Zumal einen Tag später ein Grab mit einer anderen Goldmaske entdeckt wird. Sie ist filigraner gearbeitet und zeigt ein bärtiges Gesicht - und geht als die »Maske des Agamemnon« in die Geschichtsbücher ein. Dabei kann keine der Masken vom homerischen Helden sein, so es ihn je gegeben hat. Wissenschaftler datieren heute den Trojanischen Krieg auf etwa 1200 vor Christus, berichtet Katarina Horst, die Kuratorin der Schau. Die Masken sind 400 Jahre älter.
Für den Mythos stehen sie dennoch. Beide Masken - die berühmte als Replik - markieren so den Auftakt der Schau. Sobald der Besucher den historischen Abguss des gewaltigen Löwentors passiert hat, kann er sie noch einmal für sich entdecken. Riesige Fotos versetzen ihn zurück zu Schliemanns Ausgrabung. Die war auch nach Ansicht griechischer Archäologen bahnbrechend; bestätigte sie doch Homers Angaben zum goldreichen Mykene.
Von der typischen mykenischen Bügelkanne über reich verzierte Palastvasen, Amphoren, Fresken schöner Damen mit Doppelzopf und Elfenbeinkämmen bis hin zu Schwertern und Geschmeide aus Gold und Edelsteinen - Beigaben aus dem »Grab des Agamemnon« in Mykene sind ebenso zu sehen wie Kostbarkeiten von Kriegern aus den Kuppelgräbern von Kakovatos. Ein in Originalgröße nachgebauter Thronraum nach dem Palast des Nestor in Pylos lädt zur Zeitreise. Fotos dokumentieren die berühmten Kyklopenmauern um die Paläste, die aus so großen Brocken bestanden, dass nach Ansicht von Zeitgenossen nur Riesen sie bauen konnten.
Erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert wird die »Krone von Routsi«, die vielleicht einzige vollständig erhaltene Priesterinnenkrone aus mykenischer Zeit. Zu den spektakulärsten Objekten gehören die Beigaben aus dem »Grab des Greifenkriegers« von Pylos - darunter Goldsiegelringe, eine Goldkette mit Achat- und Lapislazuli-Perlen sowie ein fein gravierter Achatsiegelstein namens »Combat Agate«. Auf dem Miniatur-Kunstwerk macht ein durchtrainierter Kämpfer mit langem Wallehaar seinen Feinden den Garaus. Helden legten auch Wert auf Körperpflege: Neben Waffen, Schmuck und Geschirr fanden sich Rasiermesser und Bronze-Spiegel in ihren Gräbern.
Mehr als 400 antike Objekte erzählen vom Leben der ersten Hochkultur auf dem europäischen Festland zwischen 1600 und 1200 vor Christus. Die Schau ist nach Angaben des Landesmuseums die weltweit bislang größte kulturhistorische Ausstellung über das mykenische Griechenland.
Möglich wurde sie durch eine Kooperation mit dem griechischen Ministerium für Kultur und Sport in anderer Sache: »Als 2014 zwei Objekte der Kykladenkultur aus dem Besitz des Badischen Landesmuseums an Griechenland zurückgegeben wurden, schlichtete dies einen Jahrzehnte anhaltenden Streit«, berichtet Museumsdirektor Eckart Köhne. Die symbolische Geste im Kampf gegen Raubgrabungen und illegalen Handel mit Antiken machte den Weg frei für eine intensive Zusammenarbeit.
»Nun war es an uns, der deutschen Öffentlichkeit eine Ausstellung zu bieten«, so Maria Andreadaki-Vlazaki, Griechenlands Generalsekretärin für Kultur und Sport. Raubgrabungen und ihre Folgen werden parallel dazu bei einer Ausstellung und einem Symposium in Heidelberg beleuchtet. »Für uns ist es wichtig, dass dem Thema Aufmerksamkeit geschenkt wird«, betont Andreadaki-Vlazaki.
»Mykene - Die sagenhafte Welt des Agamemnon«, Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum, 1.12.2018 - 2.6.2019, Schloss Karlsruhe
Öffnung: Di - So, Feiertage, 10 - 18 Uhr, 24.12. geschlossen, 1.1. ab 13 Uhr Eintritt: 12 Euro, erm. 9 Euro, Schüler 3 Euro, Familie 25 Euro
Zur Ausstellung ist ein Katalog (392 Seiten) mit zahlreichen Expertenbeiträgen erschienen. Museumsausgabe: 29,90 Euro, ISBN: 978-3-937345-90-1