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Die kuriosesten Schultes-Abgänge der Region

Überforderung, Krankschreibung, Dauerzoff: Warum einige Bürgermeister plötzlich weg waren.

Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus
Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus dem Amt schieden auch die Hechinger Bürgermeisterin Dorothea Bachmann und Burladingens Bürgermeister Harry Ebert. FOTOS: GEA/DPA
Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus dem Amt schieden auch die Hechinger Bürgermeisterin Dorothea Bachmann und Burladingens Bürgermeister Harry Ebert. FOTOS: GEA/DPA

HECHINGEN/BURLADINGEN. Was passiert, wenn ein Bürgermeister sich daneben benimmt? Ein Überblick über verschiedene Fälle in der Region zeigt, dass Disziplinarverfahren meist mit einem freiwilligen Verzicht des Bürgermeister enden.

- Der Parkplatz-Skandal: Dorothea Bachmann, Hechingen

Die Bild-Zeitung trug mit Schlagzeilen wie »Skandal um Parkplatz-Sex« zum Fall der 2011 mit 73 Prozent gewählten Hechinger Bürgermeisterin bei. Der Schwarzwälder Bote mutmaßte, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr gewachsen sei: »Während sie mit dem Dienstwagen zu einem höchst privaten Termin fuhr, stapeln sich die Aktenberge auf ihrem Schreibtisch.« Was war geschehen? Die damals 51-jährige Mutter von drei Kindern hatte sich nach 30 Ehejahren von ihrem Mann getrennt. Dieser hatte – höchst eifersüchtig – im Mai 2017 einen Tracker an ihrem Dienstwagen installiert und Bachmann 60 Kilometer von Hechingen entfernt, bei einem Schäferstündchen mit ihrem Liebhaber auf einem Parkplatz am Bodensee überrascht und durch die Scheiben des Audi A6 fotografiert.

Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus
Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus dem Amt schieden auch die Hechinger Bürgermeisterin Dorothea Bachmann und Burladingens Bürgermeister Harry Ebert. FOTOS: GEA/DPA
Im Pfronstetter Rathaus lief es gar nicht rund, solang Michael Waibel (kleines Bild unten) dort Bürgermeister war. Vorzeitig aus dem Amt schieden auch die Hechinger Bürgermeisterin Dorothea Bachmann und Burladingens Bürgermeister Harry Ebert. FOTOS: GEA/DPA

Auch am Rathaus machte er ihr Szenen, sodass Bachmann die Polizei rufen musste. Nach dem Parkplatz-Vorfall und der entsprechenden Berichterstattung in den Medien ließ sich die bis dahin beliebte Bürgermeisterin von Mai 2017 an krankschreiben und befand sich zeitweise in einer psychosomatischen Klinik. Nachdem ihr Beigeordneter Philipp Hahn fast ein dreiviertel Jahr die Amtsgeschäfte allein geführt hatte, leitete das Landratsamt eine amtsärztliche Untersuchung zur Versetzung in den Ruhestand ein. Wenige Minuten vor dem Beginn des Neujahrsempfangs am 15. Januar 2018 ging auf dem Handy von Hahn eine Mitteilung ein, dass Bachmann, die Versetzung in den Ruhestand akzeptiert.

- Der AfD-Mann: Harry Ebert, Burladingen

Seit 1999 war Harry Ebert Bürgermeister von Burladingen. Anfangs engagierte er sich für die Stadt, sanierte Schulen und Kindergärten und wurde zweimal wiedergewählt. Der als Parteiloser gewählte Schultes trat zwischenzeitlich in die CDU ein, 2018 wegen der Flüchtlingspolitik aber wieder aus und in die AfD ein. Bereits vor Bekanntwerden seines Parteieintritts hatte ein Zank zwischen dem Schultes und dem Gemeinderat begonnen. Ebert bezeichnete einen Besuch des Gremiums in einer Flüchtlingsunterkunft als »Asylantenschau« und die Gemeinderäte als »Landeier«. Nach einem Disziplinarverfahren sprach das Landratsamt des Zollernalbkreises einen Verweis gegen ihn aus.

Danach galt das Verhältnis zwischen Rathauschef und Gemeinderäten als eisig bis zerrüttet. Ratsmitgliedern zufolge verpasste Ebert vier von fünf Sitzungsterminen. War er anwesend, hörte er ihren Wortbeiträgen nicht zu und lümmelte auf seinem Stuhl herum. Die Frau des Pfarrers distanzierte sich per Transparent im Pfarrhausfenster, Trigema-Chef Wolfgang Grupp forderte Neuwahlen. Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche bedachte ihn für seinen Umgang mit der Presse mit dem Negativpreis »Verschlossene Auster«. Unter anderem soll er Lokaljournalisten, deren Berichterstattung ihm nicht behagte, mit einem Strafenkatalog überzogen und Hausverbot angedroht haben. Im Sitzungssaal ließ er neue Presseplätze montieren: eine kleine im Boden verschraubte Schulbank, wie Schulanfänger sie früher nutzten. Ende 2019 beantragte Ebert dann tatsächlich seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

- Der verschwundene Bürgermeister: Arndt Neff, Beuron

Im September 1998 war der junge Bürgermeister von Beuron, Arndt Neff, plötzlich verschwunden. Er kehrte nach seinem Urlaub nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück. Die Polizei suchte ihn bundesweit. Als Neff wieder auftauchte, erklärte er, er sei nach knapp drei Jahren amtsmüde und ließ sich krankschreiben. 1999 wurde er als dienstunfähig in den Ruhestand versetzt. Später kam heraus, dass die Kommunalaufsicht bereits 1997 und 1998 dienstrechtliche Maßnahmen eingeleitet hatte, weil er »Dienstgeschäfte nicht ordentlich erledigt« habe. Offenbar war Neff schlicht und einfach überfordert. Heute ist Neff Büroleiter in der Verwaltung einer Metallfabrik.

- Die beförderte Ehefrau: Joachim Krüger, Bisingen

2009 beförderte der Bürgermeister von Bisingen, Joachim Krüger, seine Ehefrau Mariana ohne vorherige Abstimmung im Gemeinderat zur Amtsleiterin. Als der Rat die Beförderung nicht akzeptierte und ihr 2013 fristlos kündigte, klagte Mariana Krüger vor dem Arbeitsgericht Reutlingen auf Wiedereinstellung. Daraufhin ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen den Bürgermeister, stellte das Verfahren aber wieder ein. Das Disziplinarverfahren des Landratsamts Balingen gegen den inzwischen ausgeschiedenen Bürgermeister endete mit eine Kürzung von Ruhestandsbezügen für zwei Jahre, dem Krüger in einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen zustimmte. Mariana Krüger wurde zwar im Januar 2015 vom Amtsgericht Hechingen des versuchten Betrugs für schuldig befunden, legte aber Berufung ein, erhielt vom Landgericht Hechingen im April 2016 Recht und wurde freigesprochen.

- Kompetenzen überschritten: Heinrich Götz, Haigerloch

16 Jahre lang war Heinrich Götz Bürgermeister von Haigerloch, bevor er auf eine erneute Kandidatur verzichtete. 2012 zweifelte der Haigerlocher Wissenschaftler Michael Thorwarth die Korrektheit des Doktortitels des Bürgermeisters an, den dieser bei einer slowakischen Universität erworben hatte. Doch ein Gericht beschied, formal sei alles mit rechten Dingen zugegangen. 2016 akzeptiert Götz einen Strafbefehl über 7.500 Euro wegen Bauschutt, der zu Unrecht auf einer Deponie gelagert war. Die Sache schob er allerdings seinem Amtsvorgänger Roland Trojan und dessen freundschaftlichen Beziehungen zu einem Bauunternehmer zu, woraufhin Trojan Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seinen Nachfolger stellte. Als Trojan daraufhin die örtliche Presse informierte, verklagte Götz zwei Zeitungen, die darüber berichtet hatten – ohne jedoch den Gemeinderat zu informieren. Götz verlor die Prozesse gegen die Presse, zusätzlich kam ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue hinzu, weil er die Prozesskosten zunächst aus der Stadtkasse bezahlt hatte. 2019 gab das Landratsamt einer Dienstaufsichtsbeschwerde von 18 Gemeinderäten statt, dass Götz mit seiner Klage gegen die Presse seine Kompetenzen überschritten habe.

- Der Fake-Anschlag: Norbert Moosmann, Rickenbach

Im Juli 2011 fliegt ein Molotowcocktail durchs offen Fenster ins Amtszimmer des seit 2007 amtierenden Bürgermeisters. Doch schnell kommen Zweifel auf. Der Lebensgefährte des 41-jährigen Bürgermeisters gerät in Verdacht, weil der Platz vor dem Rathaus videoüberwacht ist. Und seine Handydaten zeigen an, dass er zum Tatzeitpunkt in der Nähe war. In einem spektakulären Indizienprozess wird Moosmann 2012 zu einer Geldstrafe von 18.000 Euro und sein 37-jähriger Lebensgefährte zu einer Strafe von 4.500 Euro verurteilt. »Aufgrund seiner labilen psychischen Lage ging es dem Bürgermeister wohl darum, sich als Opfer darzustellen«, befand der Richter. 2016 urteilte das Verwaltungsgericht Freiburg, dass der 2012 abgesetzte Bürgermeister auch keinen Anspruch auf Ruhegehalt für seine Tätigkeit als Bürgermeister habe.

- Auf die Zurruhesetzung gepokert: Michael Waibel, Pfronstetten

Mit 69 Prozent war Michael Waibel am 11. Oktober 2004 gewählt worden. Doch schon Ende Januar 2005 berichtete der GEA von ersten Unstimmigkeiten zwischen Waibel und dem Gemeinderat. Seine Vorgänger im Amt hätten »Unterlassungssünden« begangen, die er jetzt ausbaden müsse, hielt Waibel dem Gremium vor. Im September 2005 verkündete er, er kandidiere für die Bürgermeisterwahl in Aichstetten im Oberland. Und verband die Mitteilung mit einem Rundumschlag, was ihm nicht passte: Unter anderem hatte er gehofft, der Gemeinderat würde ihm eine höhere Besoldungsgruppe genehmigen. Waibel unterlag deutlich in Aichstetten, er blieb Pfronstetten erhalten. Und tappte so ziemlich in jedes Fettnäpfchen, das sich ihm bot. Anfang Mai 2006 ließ der Bürgermeister sich krankschreiben. Ende Juli forderte das Landratsamt ihn auf, die Gründe für die fortgesetzte Krankschreibung zu nennen, andernfalls müsste er zum Amtsarzt. Woraufhin er wieder zum Dienst erschien. Anfang Dezember 2006 leitete die Staatsanwaltschaft Tübingen ein Ermittlungsverfahren wegen Verwahrungsbruch gegen Waibel ein, er sollte Briefe an die Kommunalaufsicht und an Gemeinderäte, in denen sich Bürger beschwert hatten, nicht weitergeleitet haben. Zudem hatte er kurz zuvor einige Rathausmitarbeiter, die sich hatten krankschreiben lassen, »an den Pranger gestellt«, indem er ihre Namen im Amtsblatt veröffentlichte.

Schon Mitte Dezember war auch Waibel erneut krankgeschrieben. Im Februar 2007 – er war wieder im Dienst – wurde gegen ihn Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, die wohl auf anhaltendes Mobbing zurückging. Zudem ermittelte der Staatsanwalt auch wegen Betrugs: Es gab Zweifel an der Kilometer-Abrechnung für seine Dienstfahrten und er hatte sich Vorteile verschaffen und sein Auto unentgeltlich in der Waschanlage eines Betriebs in der Gemeinde reinigen lassen wollen. Weil auch die Amtsgeschäfte grob vernachlässigt wurden, etwa noch kein Haushalt eingebracht war, forderte der Gemeinderat Waibel in einem Brief auf, wegen »Unfähigkeit« zurückzutreten. Im Mai 2007 eskalierte der Streit derart, dass die Ratsmitglieder geschlossen den Sitzungssaal verließen. Ende Mai erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn. Anfang Juni ließ Waibel sich krankschreiben.

Im Juli 2007 kündigte Waibel beim Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Münsingen an, er werde »bald in den Ruhestand gehen«. Verurteilt wurde Waibel zu einer Geldstrafe wegen Verfahrensbruch, Vorteilsnahme und Verletzung von Privatgeheimnissen. Der Richter sah nach Zeugenaussagen alle Anklagepunkte bestätigt. Im März 2008 beendete das Landratsamt Reutlingen das Kapitel Michael Waibel: Das Zurruhesetzungsverfahren gegen den Bürgermeister wurde abgeschlossen, Waibel in den Ruhestand geschickt. Der Weg für Neuwahlen in der Albgemeinde war endlich frei. (GEA)

WER EINEN BÜRGERMEISTER KONTROLLIERT

Bei Oberbürgermeistern ist das Regierungspräsidium zuständig

Das Regierungspräsidium Tübingen teilte auf Anfrage mit: Für Bürgermeister nimmt, da sie keinen Dienstvorgesetzten haben, gemäß des Landesdisziplinargesetzes (LDG) die Aufsichtsbehörde die Aufgaben der Disziplinarbehörde wahr. Bei Oberbürgermeistern ist dies das Regierungspräsidium, bei Bürgermeistern das Landratsamt. Liegen Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, leitet die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren ein und macht dies aktenkundig. Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte sind Verweis (schriftliche Rüge), Geldbuße, Kürzung der Bezüge, Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Es wird kein Verfahren eingeleitet, wenn zu erwarten ist, dass in derselben Angelegenheit in einem Straf- oder Bußgeldverfahren eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt werden wird, neben der mildere Disziplinarmaßnahmen unzulässig sind. Auch wird kein Verfahren eingeleitet, wenn feststeht, dass eine Disziplinarmaßnahme aus sonstigen Gründen, zum Beispiel wegen Zeitablaufs, nicht in Betracht kommt. Ein Verweis darf zwei Jahre, eine Geldbuße drei Jahre, eine Kürzung der Bezüge oder des Ruhegehalts fünf Jahre und eine Zurückstufung sieben Jahre nach der Vollendung eines Dienstvergehens nicht mehr ausgesprochen werden. Die Disziplinarverfügung ist mit Begründung, Kostenentscheidung und Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und dem Beamten zuzustellen. In der Begründung sind der persönliche und berufliche Werdegang des Beamten, der Gang des Disziplinarverfahrens, die Tatsachen, die ein Dienstvergehen begründen, und Beweismittel darzustellen. Der Beamte kann gegen die Disziplinarverfügung beim Verwaltungsgericht Klage erheben. Gegen keinen Oberbürgermeister im Bereich des Regierungspräsidiums Tübingen gab es in den letzten 15 Jahren ein Disziplinarverfahren. (GEA)