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Die Katholiken fragen sich, wer sie noch braucht

In Stuttgart kommen bis Sonntag etwa 25 000 Katholiken zusammen. Das sind noch immer eine Menge, aber doch so viel weniger als früher, dass die Frage aufkommt: Hat der Katholizismus in Deutschland noch eine Zukunft?

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz Bätzing
Georg Bätzing spricht während eines Pressestatements zu Beginn der Dritten Synodalversammlung der deutschen Katholiken. Foto: Sebastian Gollnow
Georg Bätzing spricht während eines Pressestatements zu Beginn der Dritten Synodalversammlung der deutschen Katholiken.
Foto: Sebastian Gollnow

Inmitten einer Kirchenkrise wird am Donnerstag in Stuttgart der 102. Deutsche Katholikentag fortgesetzt. Unter anderem diskutieren der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert über das Thema »Wer braucht noch die Kirche?«.

Der Katholikentag mit 1500 Veranstaltungen findet erstmals seit vier Jahren wieder in Präsenz statt. Allerdings werden bis Sonntag viel weniger Teilnehmer erwartet als sonst, etwa 25.000. Darunter sind allein 7000 Mitwirkende. Zum Katholikentag 2018 in Münster waren noch 90.000 Menschen gekommen. Ein Grund für den Rückgang dürfte die Corona-Pandemie sein. Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte jedoch, die niedrigeren Anmeldezahlen hätten auch damit zu tun, dass die katholische Kirche durch eine »krisenhafte Situation« gehe.

Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verwies am Mittwochabend darauf, dass neuerdings erstmals eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung nicht mehr Mitglied in einer der beiden großen Kirchen sei. Viele Menschen träten aus der Kirche aus, weil sie der Meinung seien, dass sie ihren Glauben auch ohne sie leben könnten. An den Bischofskonferenz-Vorsitzenden Bätzing gewandt, sagte Lammert: »Sie werden meinem Eindruck nicht völlig widersprechen wollen, dass neben denen, die seit langem keine Bindung zur Institution Kirche mehr hatten, jetzt zunehmend die gehen, die eine solche Bindung hatten.«

Bätzing verteidigte am Mittwochabend die umstrittene Beförderung eines Pfarrers, der Jahre zuvor zwei Frauen belästigt haben soll. Der Vorfall liege schon viele Jahre zurück, und der Priester habe Reue gezeigt und sich entschuldigt, sagte Bätzing der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig betonte er: »Jede Art von Belästigung, von Übergriffigkeit, sowohl verbal als auch körperlich, ist ein No-Go. Und das akzeptiere ich in keinster Weise.«

Durch die »Zeit«-Beilage »Christ & Welt« war am Dienstag bekanntgeworden, dass Bätzing in seinem Limburger Bistum einen Pfarrer trotz Vorwürfen sexueller Belästigung zum Bezirksdekan berufen hatte. Der Priester soll im Jahr 2000 eine evangelische Pfarrerin in Ausbildung sexuell belästigt haben, später auch eine angehende Gemeindereferentin.

Auf die Frage, warum er ausgerechnet diesen Pfarrer befördert habe, antwortete Bätzing: »Kann ich einen Priester, der vor 15 Jahren einen Fehler begangen hat, den er einsieht, für den er Reue zeigt, für den er um Entschuldigung gebeten hat und eine Strafe gezahlt hat - kann ich die unendlich lange vorhalten?« Der hochbeliebte Pfarrer sei von der großen Mehrheit der Seelsorgerinnen und Seelsorger in seinem Bezirk für die Funktion des Dekans vorgeschlagen worden. Als Bischof sei er diesem Votum letztlich gefolgt. »Es ist kein Fauxpas. Sondern ich habe im Abwägen der Gesamtsituation diese Entscheidung getroffen.«

Katholikentag

© dpa-infocom, dpa:220525-99-434371/4