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Debatte um Schulbesuche von Soldaten

Mehr Flecktarn auf dem Schulhof: Wenn es nach der CDU geht, soll die Bundeswehr regelmäßiger an Schulen zu Gast sein. Lehrkräfte und Friedensaktivisten lehnen das ab - und wittern Werbeveranstaltungen des Militärs.

Bundeswehr
Ein Hinweisschild mit dem Schriftzug »Bundeswehr«. Foto: Stefan Sauer
Ein Hinweisschild mit dem Schriftzug »Bundeswehr«.
Foto: Stefan Sauer

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende soll nach Willen der CDU-Landtagsfraktion auch in den Klassenzimmern in Baden-Württemberg ankommen. Um die Verbindung zwischen Zivilgesellschaft und Bundeswehr zu stärken, sollen Soldatinnen und Soldaten regelmäßig die Schulen besuchen. Das geht aus einem Positionspapier hervor, über das zuerst die »Badische Zeitung« berichtet hatte.

»Seit Jahren beobachten wir eine schleichende Entfremdung von Bundeswehr und Gesellschaft. Diesen Negativtrend wollen wir zum Positiven hinwenden«, heißt es in dem Papier. Der Fraktion geht es auch um die Nachwuchsgewinnung für die Armee. »Die Bundeswehr soll als attraktive, spannende und sinnstiftende Arbeitgeberin sichtbar sein«, sagte Fraktionschef Manuel Hagel einer Mitteilung zufolge. Dazu könnten festgelegte Besuche sogenannter Jugendoffiziere an den Schulen beitragen. »Das kann früh Vorurteile bekämpfen, das Interesse für einen Dienst für unsere Gesellschaft wecken«, sagte Hagel.

Bislang entscheidet jede Lehrkraft selbst, ob sie Besuchsangebote der Bundeswehr annehmen will. Nach Angaben des Kultusministeriums ist die Präsenz der Jugendoffiziere so hoch wie noch nie: Im Schuljahr 2021/2022 habe es 717 Veranstaltungen an weiterführenden Schulen gegeben. Besuche an Grundschulen fänden grundsätzlich nicht statt. Bundeswehr-Besuche seien seit langer Zeit gängige Praxis, sagte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne). »Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir auch in den Schulen darüber diskutieren, wie mehr Resilienz und Gemeinschaftlichkeit in der Gesellschaft erreicht werden kann.«

Geregelt ist die Zusammenarbeit zwischen der Armee und den Schulen im Land in einer Kooperationsvereinbarung, die im Jahr 2014 geschlossen wurde. Darin ist festgelegt, dass es bei den Besuchen der Soldatinnen und Soldaten um Instrumente zur Friedenssicherung und damit zusammenhängende Aufgabenstellungen der Bundeswehr gehen soll - und explizit nicht um Nachwuchsgewinnung. »Die Jugendoffiziere dürfen nicht für den Dienst in der Bundeswehr werben«, heißt es in der Vereinbarung.

Genau das passiere bei den Besuchen aber, kritisieren Friedensaktivisten. »Natürlich haben die Besuche der Jugendoffiziere auch einen Werbecharakter - einfach indem sie dort mit Uniform auftreten«, sagte Klaus Pfisterer, Landessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegdienstgegnerInnen (DFG-VK) der Deutschen Presse-Agentur. »Wir sind eindeutig gegen diese Auftritte. Die Bundeswehr hat in den Schulen nichts verloren«, so Pfisterer weiter. Aus Sicht des Friedensaktivisten wäre es sinnvoller, wenn die verantwortlichen Politiker in die Schulen gingen und mit den Schülerinnen und Schülern sprächen. »Die müssen die Einsätze ja auch verantworten und nicht die Jugendoffiziere«, sagte Pfisterer.

Eine deutliche Ablehnung des CDU-Vorschlags kommt auch von Lehrkräften. »Die politische Bildung, auch in Fragen der Sicherheitspolitik, gehört in die Hand der dafür ausgebildeten pädagogischen Fachleute und nicht in die von Jugendoffizieren«, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Monika Stein, am Mittwoch in Stuttgart. Dafür gebe es mit den Bildungsplänen in allen Schularten gute Grundlagen. Aus Sicht der Gewerkschaft, die nach eigenen Angaben rund 43 000 Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg vertritt, ist es wichtig, Jugendoffiziere der Bundeswehr nur dann einzuladen, wenn die politische Ausgewogenheit gewährleistet ist. Auch Friedensorganisationen und Friedensinitiativen müssten die gleichen Möglichkeiten an Schulen eingeräumt werden wie der Bundeswehr.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hält den Vorstoß der CDU-Fraktion für unnötig. »An den Schulen gibt es bereits genügend Plattformen, wo sich die verschiedenen Berufsbranchen präsentieren und sogenannte Ausbildungsbotschafter schicken können«, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Dirk Lederle. Grundsätzlich spreche nichts gegen den Besuch von Offizieren in Uniform an Schulen, um für ein besseres Verständnis der Bundeswehr zu sorgen. »Für einen Automatismus sehen wir keine Notwendigkeit, solange die Wehrpflicht ausgesetzt ist«, sagte Lederle.

Auch der Landesschülerbeirat verweist auf spezielle Veranstaltungen wie Berufsorientierungsmessen. Der Vorsitzende Berat Gürbüz hält sie für den besseren Ort, um die Bundeswehr vorzustellen. Trotzdem sieht er auch die Vorteile von Soldatinnen und Soldaten in Klassenzimmern. Das bringe Abwechslung in den Unterricht und könne für Schülerinnen und Schüler interessant sein. Im Vorhinein müsse jedoch geklärt werden, wie mit den Besuchen ein Mehrwert geschaffen werden könne. »Es sollte ganz genau ein Plan vorliegen, worum es gehen soll«, sagte Gürbüz. Unterrichtsausfall gebe es sowieso schon genug. An den Landeselternbeirat sei das Thema bislang aus der Elternschaft nicht herangetragen worden, sagte ein Sprecher.

Die FDP findet Besuche der Jugendoffiziere wichtig. Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sei es essenziell, dass Schülerinnen und Schüler sich in grundlegenden sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen auskennen", sagte Hans-Dieter Scheerer, Sprecher der Landtagsfraktion für Angelegenheiten der Bundeswehr. So könne auch Desinformation entgegengewirkt werden. Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei sieht keinen Bedarf für eine Änderung der bestehenden Regelung. "Die im Jahr 2014 entwickelte Position räumt der Bundeswehr im pädagogischen Kontext der Schule einen angemessenen Platz ein", sagte er. Die AfD betonte, sie fordere seit Jahren, dass die Bundeswehr Besuche an Schulen durchführe. Die Forderung der CDU sei "nichts als ein politisches Manöver einer CDU, die Morgenluft wittert", sagte der sicherheitspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Hans-Jürgen Goßner.

Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion

Vereinbarung zwischen dem Kultusministerium und der Bundeswehr

© dpa-infocom, dpa:230426-99-451760/5