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Debatte um China-Politik: Hoffmeister-Kraut kritisiert Bayaz

Knatsch in der Koalition: Der Südwest-Finanzminister warnt die Firmen eindringlich vor zu viel Engagement in dem Land. Die Wirtschaftsministerin hält entgegen, die Betriebe bräuchten keine politischen Ratschläge, mit wem sie Geschäfte machen sollen.

Danyal Bayaz
Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, bei einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Foto: Marijan Murat
Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, bei einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Foto: Marijan Murat

Finanzminister Danyal Bayaz hat die Unternehmen im Land eindringlich dazu aufgefordert, sich unabhängiger von China zu machen. »Die geopolitische Zeitenwende erfordert auch mit Blick auf China ein grundsätzliches Umdenken«, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hält wenig von diesen Ratschlägen - und warf Bayaz ein »Schwarz-Weiß-Denkmuster« vor. Die FDP hält Bayaz eine Bevormundung der Wirtschaft vor.

Ein chinesischer Überfall auf Taiwan wäre ein gewaltiger Rückschritt für die Globalisierung, so der Finanzminister. »Es gibt zwar viele Unternehmen, die ihre Abhängigkeit von China verringern wollen, aber zu viele setzen bei ihrem China-Geschäft immer noch auf «business as usual»«, kritisierte er. »Ich deute das so, dass sich Unternehmen drauf verlassen, dass der Staat sie dann schon raushaut, wenn es etwas passiert und China zum Beispiel Taiwan überfällt.« Bayaz warnte aber: Diese Garantie gebe es nicht. Der Minister hatte sich entsprechend auch auf einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Brüssel zu Europas Umgang mit China geäußert.

Der chinesische Markt werde für Baden-Württemberg zwar weiterhin eine wichtige Rolle spielen, sagte Bayaz. »Aber es bedeutet eben auch, dass wir unser Geschäftsmodell diversifizieren, die Abhängigkeit von China reduzieren und den Freihandel mit anderen Regionen der Welt intensivieren müssen.« Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China seien weitaus intensiver als die mit Russland vor dessen Angriffskrieg. »Jede Sanktion würde uns ungleich härter treffen.«

Bayaz kritisierte auch die Bundesregierung, weil die sich nach wie vor nicht auf eine China-Strategie habe einigen können - und forderte einen China-Stresstest. Es sei entscheidend, dass Europa gegenüber China selbstbewusst und mit einer Stimme auftrete, sagte er. In der Bundesregierung gibt es derzeit eine Debatte über eine neue China-Strategie. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht im Westen wegen Menschenrechtsverletzungen, des Säbelrasselns gegenüber Taiwan und des forscheren außenpolitischen Auftretens in der Kritik.

Aber auch im Südwesten spricht die Regierung nicht mit einer Stimme bei dem Thema. »Ich kann nur raten, das Thema der wirtschaftlichen globalen Verflechtungen und ihre Auswirkungen sachlich zu betrachten und zu diskutieren«, antwortete Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut auf den Vorstoß von Bayaz. Der Umgang mit China sei schwieriger geworden. Aber: »Jetzt in Schwarz-Weiß-Denkmuster zu verfallen, wäre nicht richtig.« Baden-Württemberg lebe vom Export, auch nach China, so die CDU-Politikerin. Viele Unternehmen stellten sich bereits breiter auf und minderten das Risiko einer einseitigen Abhängigkeit. Aber die Beschaffungs- und Absatzmärkte von heute ließen sich nicht so einfach ersetzen. Die Betriebe benötigten regulatorische Entlastungen und bezahlbare Energie - »und nicht so sehr politische Ratschläge, mit wem sie Geschäfte machen sollen«, kritisierte sie den Vorstoß ihres Kabinettskollegen.

Die Südwest-Wirtschaft fordert von der Politik bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. China sei mit 8,5 Prozent bei Importen und 9 Prozent bei Exporten der zweitwichtigste Handelspartner Baden-Württembergs, betonte Tim Wenniges vom Verband Unternehmer Baden-Württemberg (UBW). Alleine im Fahrzeugbau befänden sich 50 Prozent der weltweit neu zugelassenen E-Autos in China. »Eine Abkopplung hieße hier eine Abkopplung von der Technologie der Elektrofahrzeuge.« Die Verflechtungen bei Vorprodukten, Rohstoffen und Absatzmärkten seien zudem erheblich. Mehr und mehr finde auch Technologietransfer von China nach Deutschland statt. »Diese Aspekte müssen wir bei allen Diversifizierungsstrategien unbedingt im Blick behalten.«

Statt die Wirtschaft zu gängeln oder den Bund zu bevormunden, sollte die Landesregierung endlich mit der Erarbeitung der im Koalitionsvertrag versprochenen Ostasien-Strategie beginnen, teilte die europapolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Alena Trauschel, mit. Diese befinde sich seit zwei Jahren in Vorbereitung. »Die grün-schwarze Untätigkeit könnte Baden-Württemberg teuer zu stehen kommen.«

© dpa-infocom, dpa:230426-99-458793/3