Stuttgart (dpa/lsw) - Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg setzt ein möglicherweise folgenreiches Signal und zieht sich wegen rechtlicher Bedenken aus Twitter zurück. Er werde seinen Account mit rund 5400 Followern zum 31. Januar 2020 löschen, sagte Stefan Brink am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte er einen entsprechenden Tweet in dem Kurznachrichtendienst abgesetzt. Grund für den Schritt sei, dass das Twittern nicht mit seiner Tätigkeit als Datenschützer vereinbar sei: Twitter sammele im Hintergrund Nutzerdaten. Er könne aber nicht Datenschutzbeauftragter beziehungsweise Aufsichtsbehörde sein und gleichzeitig Nutzer eines womöglich datenschutzrechtlich problematischen Netzwerkes.
Juristischer Hintergrund ist eine inzwischen vom Bundesverwaltungsgericht in deutsches Recht überführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu Facebook: Demnach haben nicht nur die Betreiber sozialer Netzwerke - also etwa Facebook oder Twitter -, sondern auch die Nutzer Mitverantwortung für das, was sich dort abspielt. Denn sie sind mit ihrer Seite oder ihrem Account quasi ein Türöffner für die Datensammelei der Konzerne. Diese legen im Hintergrund etwa Profile der Nutzer an, die die Seiten besuchen, vernetzen Daten und sammeln diese zu Werbezwecken.
Folgt man der Argumentation der Gerichte, ist die Abstinenz von sozialen Netzwerken laut Brink jedoch nicht nur für einen Landesdatenschutzbeauftragten zwingend, »sondern für alle Behörden und auch Privatunternehmen, die soziale Medien nutzen«. Alle öffentlichen Stellen müssten sich daher sehr genau überlegen, ob sie nicht seinem Beispiel folgen und sich aus den Netzwerken zurückziehen müssen. Für Privatpersonen gilt die Datenschutzgrundverordnung nicht.
Brink kündigte an, im kommenden Jahr Gespräche mit Behörden zu führen und sich zuallererst an die Ministerien, aber auch etwa die Polizei und letztlich Unternehmen zu wenden. »Das werden schwierige Gespräche, weil sich alle an die sozialen Netzwerke gewöhnt haben.«
Das könnte seinen Worten zufolge allerdings in einer problematischen Situation münden: »Wenn nicht alle öffentlichen Stellen unsere Einschätzung teilen, müssen wir möglicherweise von unseren Aufsichtsbefugnissen Gebrauch machen und anordnen, dass zum Beispiel Behörden soziale Medien verlassen.«
Datenschützer Brink will sich nun andere Kanäle suchen - etwa nicht gewerbliche und dezentral organisierte Netzwerke wie Mastodon. Außerdem wolle seine Behörde einen eigenen Podcast aufbauen - »und den Newsletter verbessern«. Schade sei, dass nun die große Reichweite und die unmittelbare Ansprechbarkeit verloren gehe. »Das tut schon weh. Aber wir müssen versuchen, eine rechtmäßige Alternative aufzubauen.«
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Urteil vom 11. September 2019