Damit Deutschland bei der Energieversorgung unabhängig wird und dem Klimawandel entgegengewirkt werden kann, setzt die Politik auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Es gehe um »große Fragen, mit denen wir uns ganz dringend beschäftigen müssen«, sagte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Freitag bei einem Besuch am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). »Wie stellen wir erneuerbare Energien her? Wie speichern wir sie? Aber vor allem auch: Wie bringen wir die verschiedenen Energiequellen zusammen, damit unser Netz stabil ist?«
Forschung müsse helfen, die einzelnen Puzzleteile zusammenzusetzen, »um schnell die Energiewende umzusetzen, um schnell souverän im Bereich der Energie zu werden«, machte Stark-Watzinger Tempo. »Da darf kein Problem entstehen.« Manche Menschen hätten wohl noch nicht verstanden: »Energie ist die Grundlage für unseren Wohlstand.«
Es seien aber noch Forschungsfragen offen, sagte die Ministerin. Was im Kleinen funktioniert, müsse in großem Maßstab ausgerollt werden. Die Grundlagenforschung in Deutschland sei sehr stark und müsse weitergehen. Wichtig sei, dass auch bestehende Technologie wie Wasserstoff und Biomasse in die Anwendung komme. »Da können wir jetzt schneller werden«, sagte die Forschungsministerin. Die Wissenschaft arbeite schon lange daran. »Jetzt ist auch der politische Wille da.«
Am KIT haben Forschende im Energy Lab 2.0 einen detaillierten »digitalen Zwilling« des deutschen Energiesystems aufgebaut. Alle Stromleitungen und -schalter sowie Koppelungen zu Nachbarländer seien in einer Detailtiefe erfasst, wie man sie sonst nirgends finde, sagte Michael Decker, Professor für Technikfolgenabschätzung. Parameter wie Power-to-X-Anlagen zur Speicherung beziehungsweise weiteren Nutzung von Stromüberschüssen etwa während starker Sonneneinstrahlung oder innovative Energiespeicher können nach Belieben zugeschaltet werden.
Das Ganze ist verknüpft mit einem Mini-Dorf, um die Stromversorgung von der Erzeugung bis zum Verbrauch abzubilden: Unterschiedlich ausgerichtete und geneigte Photovoltaik-Anlagen beispielsweise fangen Sonnenlicht ein. Musterhäuser sind mit verschiedener Infrastruktur wie Wärmepumpen ausgerüstet. Dort wird unter anderem erforscht, wie Haushaltsgeräte zur Stabilität des Energienetzes beitragen können, etwa in dem sie ihren Verbrauch an die jeweils verfügbare Strommenge anpassen.
Stark-Watzinger startete am Freitag eine Großsimulation. Professor Decker zufolge soll geschaut werden, wie das System auch dann stabil bleiben kann, wenn plötzlich zum Beispiel die Gasversorgung aus Russland einbricht oder ein Kraftwerk ausfällt. »Mit einer guten Simulation kriegen wir einen kleinen Blick in die Zukunft.« Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Transfer und Internationales des KIT, sagte: »Mit dem Energy Lab 2.0 können wir zeigen, dass ein klimaneutrales Energiesystem perspektivisch möglich ist.«
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