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BGH zu »Reichsbürger«-Razzia: Verdächtige bleiben in U-Haft

Nach einer Großrazzia in der »Reichsbürger«-Szene vor einem halben Jahr bleiben 22 Beschuldigte in Untersuchungshaft. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nach Angaben vom Mittwoch. Bei allen sei der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben, in einigen Fällen auch jener der Schwerkriminalität. »Der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer«, teilte der BGH mit. Gesetzlich vorgesehen ist, dass nach sechs Monaten U-Haft geprüft werden muss, ob diese verlängert werden darf.

Bundesgerichtshof
Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler steht vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Foto: Uli Deck/DPA
Ein Hinweisschild mit dem Bundesadler steht vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Foto: Uli Deck/DPA

Die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß als einen der mutmaßlichen Rädelsführer soll vorgehabt haben, das politische System in Deutschland mit Waffengewalt zu stürzen und eine neue Regierung zu installieren. Es habe einen militärischen Arm gegeben, der Waffen beschaffen sollte. Die Beteiligten hätten auch Tote in Kauf genommen.

Den bisherigen Erkenntnissen zufolge handelte es sich bei der Gruppierung »hochwahrscheinlich« um eine terroristische Vereinigung, teilte der BGH am Mittwoch weiter mit. »Denn sie bestand aus mehr als zwei Personen, war auf längere Dauer angelegt, hatte eine organisatorische Struktur und verfolgte mit der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie der Schaffung eines neuen deutschen Staatswesens ein übergeordnetes gemeinsames Interesse.«

Bei 20 Beschuldigten bejahte der dritte Strafsenat den dringenden Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowie der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Darunter ist auch einer, dem bislang nur Unterstützung einer solchen Vereinigung vorgeworfen worden war. Bei den beiden anderen geht es nach wie vor nur um Unterstützung.

Die Bundesanwaltschaft hatte Anfang Dezember 25 Verdächtige in Deutschland, Österreich und Italien festnehmen lassen, darunter eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, Ex-Offiziere und Polizeibeamte. Manche wurden zwischenzeitlich aus der U-Haft entlassen. Die Einsatzkräfte stellten unter anderem zahlreiche Waffen sicher. Weitere Beschuldigte gerieten nach und nach ins Visier, inzwischen wird gegen mehr als 60 Menschen - überwiegend Deutsche - ermittelt.

»Reichsbürger« und »Selbstverwalter« zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik an. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von rund 23.000 Menschen aus, die dieser Szene angehören. 2021 hätten »Reichsbürger« und »Selbstverwalter« 1011 extremistische Straftaten begangen (2020: 599), heißt es bei der Behörde. Seit 2016 wurden den Angaben nach 1050 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen.

Mitteilung

Bundesamt für Verfassungsschutz über »Reichsbürger« und »Selbstverwalter«

© dpa-infocom, dpa:230719-99-458753/3