Fünf Monate nach der Flucht eines Häftlings der JVA Mannheim während eines Arztbesuchs hat das Amtsgericht Ludwigshafen zwei Angeklagte wegen Unterstützung zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die beiden Komplizen, ein Mann und eine Frau, räumten zu Prozessbeginn am Dienstag die Vorwürfe ein und baten die Justizvollzugsbeamten um Entschuldigung.
Der 21 Jahre alte Bruder des Häftlings gestand, unter anderem bei der Befreiung am 14. Dezember 2023 am Klinikum Ludwigshafen mit einer Schreckschusspistole in die Luft geschossen und mit seinem Bruder auf einem Motorroller davongerast zu sein. Eine 24-jährige damalige Mitarbeiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) räumte ein, ein Liebesverhältnis mit dem Häftling begonnen und ihm im Gefängnis ein Mobiltelefon zugesteckt zu haben. Während der Flucht mietete sie zudem Hotelzimmer und Fahrzeuge. Der Geflüchtete und sein Bruder waren etwas mehr als zwei Wochen später in einem Hotel in Weinheim nahe Heidelberg festgenommen worden.
Wo ist die Waffe?
Der Fluchtplan sei von seinem inhaftierten Bruder gekommen, sagte der 21-Jährige aus Ladenburg. Später sei ihm klar geworden, welch »dumme Aktion« dies gewesen sei. Er habe seinen Bruder aufgefordert, sich zu stellen. »Ich möchte mit meinem Bruder nichts mehr zu tun haben.« Woher er die Waffe gehabt habe und wo sie verblieben ist, darüber wolle er keine Angaben machen. Die oft sehr schleppenden Aussagen des Mannes kommentierte die Richterin mit den Worten: »Da ist ja ein Kaugummi schneller gekaut.«
Die mitangeklagte Wahl-Mannheimerin sagte, der Häftling habe ihr »schöne Augen gemacht«. Anfangs sei von Gefangenenbefreiung keine Rede gewesen. Mittlerweile sei sie aus dem Dienst entlassen. Was denn die gemeinsame Perspektive nach der Flucht über Mainz, Stuttgart und Karlsruhe gewesen wäre, wollte die Richterin wissen. »Haben Sie nicht gefragt: Was mache ma, Schatz, wo gemma hin?« Eine Idee sei gewesen, gemeinsam ein neues Leben zu beginnen, sagte die Angeklagte.
Das Urteil gegen den 21-Jährigen fiel am Dienstag unter anderem wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und unerlaubten Waffenbesitz. Die Anschuldigungen gegen die Frau lauteten unter anderem Gefangenenbefreiung und Strafvereitelung im Amt. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Mann zwei Jahre und vier Monate Gefängnis und für die Frau zwei Jahre Haft auf Bewährung gefordert. Beide Verteidiger hatten sich für Bewährungsstrafen ausgesprochen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Bewährung als Chance
Die Richterin sagte in der Urteilsbegründung, die Fluchthilfe sei »kein dummer Kinderstreich« gewesen. Einer der Wärter sei seit dem Überfall berufsunfähig, weil er die Todesangst im Anblick der Waffe nicht loswerde. Treibende Kraft der Flucht sei der Häftling gewesen. Das Gericht wolle mit der Bewährungsstrafe an der oberen Grenze den Angeklagten die Chance geben, dass ihr Leben eine andere Richtung nehme. Die Lebensplanung der Frau sei durch die Entlassung hinfällig. Ihr riet die Richterin: »Schauen Sie bei der Wahl der Männer besser hin.« Auch dem Angeklagten riet sie nachdrücklich, seine Zukunft nicht zu verspielen.
Dem 25 Jahre alten Häftling der JVA Mannheim war im Dezember nach Behandlung beim Kieferorthopäden in Ludwigshafen eine Fesselung in der geöffneten Tür des Transporters gelöst worden, damit er einsteigen konnte. In diesem Moment habe sich der Mann losgerissen, während sich zeitgleich von hinten sein Bruder als Komplize auf einem Motorroller genähert habe. Der Häftling saß ein, weil er unter anderem wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden war.
Von einem anderen ebenfalls in Rheinland-Pfalz entkommenen Häftling aus Baden-Württemberg fehlt unterdessen weiter jede Spur. Der Straftäter aus der JVA Bruchsal war Ende Oktober 2023 bei einem bewachten Ausflug an einen Baggersee in Germersheim trotz einer Fußfessel geflohen. Er war 2012 vom Landgericht Karlsruhe zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er einen Mann erwürgt hatte.
© dpa-infocom, dpa:240520-99-102250/5