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Belästigungs-Vorwürfe: Strobl massiv unter Druck

Noch ist der mutmaßliche Sex-Skandal eines hochrangigen Polizisten bei der Landespolizei gar nicht aufgeklärt. Doch nun steht plötzlich die politische Zukunft des Innenministers auf dem Spiel. Strobl hat sich mit der Herausgabe eines Anwaltsschreibens angreifbar gemacht.

BW-Innenminister Strobl
Thomas Strobl kommt zu der nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses. Foto: Marijan Murat
Thomas Strobl kommt zu der nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses.
Foto: Marijan Murat

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl steht in der Affäre um Belästigungs-Vorwürfe gegen einen hochrangigen Polizisten nun selbst massiv unter Erklärungsdruck. Die Opposition forderte den CDU-Politiker am Mittwoch zum Rücktritt auf, weil er ein internes Schreiben des Rechtsanwalts des Polizisten an eine Zeitung weitergegeben hat. Strobl habe damit Dienstgeheimnisse öffentlich gemacht, seine Fürsorgepflicht als Dienstherr verletzt und gegen den Datenschutz verstoßen, kritisierten SPD, FDP und AfD in Stuttgart. Das sei ein »skandalöser Vorgang«, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke sagte: »Bei den Abgründen, die sich auftun, kann dieser Minister nicht mehr im Amt bleiben.«

Strobl rechtfertigt sich - Kretschmann stärkt ihm den Rücken

Strobl wies die Kritik energisch zurück und lehnte einen Rückzug ab. Es habe zwar einen Kommunikationsfehler gegeben, aber es gehe ihm in dem Verfahren gegen den hohen Beamten um »maximale Aufklärung und maximale Transparenz«. Er bestritt, dass er sich mit der Weitergabe des Schreibens strafbar gemacht habe. Im Zentrum müsse die »Aufklärung der Vorwürfe« gegen den Polizisten stehen. Dieser solle »Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung« begangen haben. Es verstehe nicht, warum die Opposition nun kritisiere, dass er für Transparenz sorgen wolle. Nun droht Strobl ein Untersuchungsausschuss. Beim grünen Koalitionspartner zeigte man sich intern irritiert darüber, warum sich der Minister überhaupt selbst in dieses heikle Verfahren eingeschaltet hat.

Allerdings stärkte Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinem Vize den Rücken. »Ich habe mir den Sachverhalt vom Innenminister schildern lassen. Er hat mir glaubhaft dargelegt, dass kein Rechtsverstoß vorliegt und es ihm darum ging, Transparenz herzustellen«, teilte der Grünen-Politiker am Nachmittag mit. »Ich schätze Thomas Strobl sehr und er hat weiter mein volles Vertrauen.« Der CDU-Landeschef gilt als Vertrauter von Kretschmann in der grün-schwarzen Koalition. Auch der Innenexperte der Fraktion, Oliver Hildenbrand, wies die »reflexhaften Rücktrittsforderungen« zurück. Er appellierte: »Wir dürfen die übergeordneten Fragen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt nicht aus dem Blick verlieren.«

Strobl erläuterte, die Staatsanwaltschaft habe noch nicht begonnen wegen der Weitergabe des Schreibens zu ermitteln, sondern zunächst das Innenministerium um die rechtlich erforderliche Ermächtigung gefragt. »Diese Ermächtigung haben wir in völliger Transparenz und zu Recht nicht erteilt: Denn wir haben als Innenministerium entschieden, aus diesem Schreiben kein «Geheimnis» zu machen.« Für die CDU-Fraktion erklärte Thomas Blenke, die Rücktrittsforderungen gegen Strobl seien »schlicht haltlos«. Der Minister habe maximale Transparenz zugesagt und die am Mittwoch auch wieder gezeigt. »Wir haben deshalb weiterhin großes Vertrauen in die Arbeit des Innenministers.«

FDP sieht Strobl als Verfassungsminister untragbar

FDP-Mann Rülke sagte dagegen, Strobl habe staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen der Herausgabe des Schreibens unterbinden und das Disziplinarverfahren gegen den Beamten torpedieren wollen. »Das ist ein fundamentaler Anschlag auf den Rechtsstaat durch den Verfassungsminister.« Wenn Strobl nicht zurücktrete, zwinge er die Opposition, sein Gebaren mit einem Untersuchungsausschuss vollständig aufzuklären. Dabei könne man auch gleich die Beförderungspraxis der Landespolizei und des Ministeriums durchleuchten, hieß es.

Ausgerechnet der beschuldige Beamte war für Wertekampagne zuständig

Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit November wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung gegen den führenden Polizisten. Der Mann soll eine Hauptkommissarin in einem Videochat mit seinen Vorstellungen sexueller Praktiken belästigt haben. Aus Kreisen des Innenausschusses hieß es, aus der Abschrift des Videochats, die den Abgeordneten vorliegt, gehe deutlich hervor, dass der Mann der Polizistin angeboten habe, ihr bei der Karriere zu helfen, wenn sie ihm sexuell zu Diensten sei. Hier gehe es klar auch um Machtmissbrauch, hieß es. Was die Sache noch brisanter macht: Der Beamte war vor seiner Suspendierung bei der Landespolizei für die interne Wertekampagne gegen sexualisierte Gewalt zuständig.

Weil das Schreiben des Anwalts des Polizisten an das Ministerium an die Öffentlichkeit gelangte, wurde die Staatsanwaltschaft auch in der Sache aktiv. Das Innenministerium hatte daraufhin eingeräumt, das Schreiben »in Abstimmung mit der Hausspitze gegenüber einem einzelnen Journalisten« öffentlich gemacht zu haben. In dem Schreiben soll der Anwalt das Ministerium um ein klärendes Gespräch gebeten haben.

Minister spricht von »vergiftetem Angebot« des Anwalts

Strobl sagte, es gehe hier um die Integrität der Polizei. Deswegen sei es für ihn unmöglich gewesen, das Angebot des Anwalts für ein persönliches Gespräch außerhalb des rechtsstaatlichen Verfahrens anzunehmen. »Solche Deals sind mit mir nicht zu machen.« Er habe das Schreiben öffentlich gemacht, weil er befürchtete, dass die Gegenseite es an die Presse gibt. Dann hätte man erklären müssen, wie es darauf reagiert habe. »Das war ein vergiftetes Angebot.«

Der Minister räumte ein, es sei falsch gewesen, nicht zu sagen, dass das Innenministerium das Schreiben des Anwalts des Polizisten selbst an die Presse gegeben hatte. »Es ist ein Fehler gemacht worden in der Kommunikation.« Zu der Forderung nach einem Rücktritt sagte der Minister: »Ich wüsste nicht warum.« Einem möglichen U-Ausschuss sehe er gelassen entgegen. »Es liegt alles auf dem Tisch.«

SPD fragt: Warum gab Strobl das Schreiben nicht dem Staatsanwalt?

Wenn Strobl in dem Schreiben den Versuch einer Erpressung gesehen habe, dann hätte er dieses nicht an einen Journalisten, sondern an die Staatsanwaltschaft geben müssen, kritisierte Stoch. Die SPD deutete an, dass Strobl selbst gegen Recht und Gesetz verstoßen haben könnte. Denn: Wer ein Dienstgeheimnis unberechtigt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet, kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden. Die AfD erklärte, das Ministerium habe den Polizisten mit der öffentlichen Äußerung eines »Mauschel-Verdachts« einseitig belastet und müsse das Disziplinarverfahren in unabhängige Hände geben.

© dpa-infocom, dpa:220503-99-143325/8