Trotz eines zuletzt deutlichen Gewinnplus' blicken die Landwirte im Südwesten sorgenvoll in die Zukunft. Die Betriebe hätten im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2021/22 im Schnitt 64.000 Euro Gewinn gemacht und damit 23 Prozent mehr als im Vorjahr, wie Bauernpräsident Joachim Rukwied am Montag in Stuttgart sagte. »Dieses Niveau reicht nicht aus, um einen Betrieb sicher in die Zukunft zu führen.« Teils verfünffachte Düngerpreise, verdoppelte Energiekosten, Abwanderung ins Ausland, viel Unsicherheit in den Märkten - die Liste an Problemen, die Rukwied präsentierte, war lang.
Beim Einkommen für die Bauern ist Baden-Württemberg demnach bundesweites Schlusslicht. Während im Südwesten auf jede nicht entlohnte Familienarbeitskraft etwa 43.000 Euro Gewinn entfielen, waren es im Bundesschnitt knapp 57.000 Euro - in Schleswig-Holstein sogar 91.000 Euro. In Baden-Württemberg seien die Strukturen vergleichsweise klein, das Lohnniveau etwa beim Zukauf für Dienstleistungen aber hoch, sagte Rukwied. Ausgewertet wurden die Buchführungsergebnisse von rund 1200 Betrieben im Südwesten.
Rückschläge mussten zuletzt vor allem die Obstbauern hinnehmen: Der Gewinn je nicht bezahlter Familienarbeitskraft brauch um rund 38 Prozent auf rund 39.000 Euro ein. Hintergrund seien gesunkene Apfel- und Beerenpreise und höhere Betriebsmittelkosten. Besonders mager sah es weiter bei den Rinderhaltern aus: Zwar verbuchten sie ein Gewinnplus von 22 Prozent. Mit 22.000 Euro pro Kopf bleiben aber weniger als 2000 Euro brutto im Monat.
Von einem »Strukturbruch« sprach Rukwied bei der Schweinehaltung. Seit der Jahrtausendwende habe sich die Zahl der Betriebe im Land um über 90 Prozent verringert, derzeit gebe es noch etwa 1700 im Land. »Und wenn man nach vorne schaut, sagt jeder zweite Schweinehalter, dass er in den nächsten Jahren den Betrieb schließen wird.« Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinefleisch in Baden-Württemberg liege bei 45 Prozent.
Vor allem die Ferkelzucht ist laut einer Verbandssprecherin in der Krise: Jährlich gingen etwa 100 Ferkelzucht-Betriebe verloren, derzeit gebe es noch 700. »Im Land können wir so den Ferkelbedarf für die Mast schon lange nicht mehr decken.« Der Ferkelpreis liege derzeit bei rund 62 Euro, nötig wären aber 80 bis 110 Euro.
Zum Ausblick für das derzeit laufende Wirtschaftsjahr zeigt sich Rukwied zurückhaltend. Die Betriebsmittelkosten seien deutlich höher als im vorangegangenen Jahr, beim Preisniveau gebe es aber eher eine Seitwärtsbewegung. Negativ schlage natürlich die zurückliegende unterdurchschnittliche Ernte wegen der Trockenheit zu Buche.
Die Bauern hätten neben den gestiegenen Preisen auch mit mehr Unsicherheiten an den Märkten zu kämpfen, sagte Rukwied weiter. Vergangene Woche erst sei etwa der Milchpreis an einem Tag um 20 Prozent eingebrochen. Bei Raps oder Getreide gebe es ähnliche Preisschwankungen. Dazu komme, dass selbst eher kaufkräftige Gruppen zuletzt preisbewusster einkauften. »Offensichtlich geht der Urlaub nach wie vor vor - und nicht der Griff zu den heimischen Lebensmitteln.«
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