Vor der anstehenden Generalsanierung wichtiger Zugstrecken warnt der Bahnbeauftragte der Bundesregierung vor Verzögerungen bei der Schienenfinanzierung. »Das wäre mit Blick auf den für jeden Fahrgast offensichtlich nicht hinnehmbaren Zustand unserer Infrastruktur kaum erklärbar«, sagte der FDP-Politiker Michael Theurer dem »Tagesspiegel« am Wochenende. Ein entsprechendes Gesetz zur Schienenfinanzierung hatte am Freitag im Bundesrat keine Zustimmung gefunden.
Die Bahn will das Schienennetz in den kommenden Jahren mit Generalsanierungen 40 hochbelasteter Strecken bis 2030 fit machen. Das Konzept sieht vor, die jeweiligen Strecken mehrere Monate komplett zu sperren und grundlegend zu reparieren. Die erste Generalsanierung beginnt Mitte Juli auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Bis Mitte Dezember soll sie abgeschlossen sein.
Gesetzesreform für besseres Schienennetz
Mit der Reform des »Bundesschienenwegeausbaugesetzes« will der Bund Investitionen in die Schiene vorantreiben. Konkret sollen Hemmnisse beseitigt werden, damit sich der Bund verstärkt auch an Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung beteiligen kann - und nicht nur an Bauprojekten. In der Regierung ist von einer »neuen Finanzierungsarchitektur der Schiene in Deutschland« die Rede. Die Reform gilt auch als wichtig für die im Sommer beginnende Sanierung wichtiger Streckenabschnitte.
Unterdessen gehen die Überlegungen zu künftigen Geldquellen für die Verkehrsinfrastruktur weiter. Wenn es in Zukunft nicht genug Geld für Investitionen im Haushalt gebe, müsse man andere Wege gehen, bevor man Investitionen kürze, hieß es am Samstag aus dem Verkehrsministerium. Minister Volker Wissing (FDP) hatte sich laut »Süddeutscher Zeitung« vor einigen Tagen für einen »Infrastrukturfonds« ausgesprochen.
Überlegungen zu Infrastrukturfonds
»Es geht nicht um konkrete Projekte, schon gar nicht im aktuellen Haushalt. Es geht auch nicht um ein Sondervermögen und auch nicht darum, Schulden aufzunehmen«, stellte das Ministerium klar. Ein Infrastrukturfonds wird in der Bahnbranche seit Jahren gefordert. Nach Informationen der Zeitung schwebt Wissing jedoch vor, den Fonds auch für Straßen und Wasserstraßen zu nutzen. Gefüllt werden soll der Geldtopf demnach auch mit privatem Mitteln.
Das Ministerium nannte am Samstag keine konkreten Finanzquellen. »Aktuell stellt sich die Frage auch nicht, denn bisher ist es der Bundesregierung gelungen, das Parlament von unseren Investitionsvorhaben zu überzeugen, so dass wir alles finanzieren können, was wir brauchen«, hieß es.
Kurzfristig steht die Reform des Bundesschienenwegeausbaugesetzes zur Entscheidung an. Der Bundesrat rief dazu am Freitag den Vermittlungsausschuss der Länderkammer und des Bundestages an. Er bedaure die Entscheidung, sagte Theurer. »Jetzt kommt es darauf an, dass die Umsetzung der absolut notwendigen und dringlichen Generalsanierung des Hochleistungskernnetzes nicht verzögert wird.«
Länder wollen mehr Geld
Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« verlangen die Länder auch Geld vom Bund für Schienenersatzverkehr und für Bahnhofsgebäude. Sie fordern demnach zudem Zusagen zur Digitalisierung, zum Aus- und Neubau von Strecken und zur Sanierung jenseits der Hochleistungskorridore. Zustimmung erhielten die Länder von den Konkurrenten der Deutschen Bahn im Güter- und Personenverkehr durch deren Verbände Netzwerk Europäischer Eisenbahnen und Mofair.
Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung angekündigt, in den kommenden Jahren rund 40 Milliarden Euro in die Ertüchtigung des in Teilen maroden Schienennetzes zu stecken. Angesichts einer Haushaltslücke ruderte der Bund jedoch im Herbst zurück. Bis 2027 sollen nun noch rund 30 Milliarden Euro fließen.
Die Bahn schätzt den Investitionsbedarf für diesen Zeitraum mit rund 45 Milliarden Euro deutlich höher ein. Zuletzt ist eine Diskussion darüber entbrannt, den Neu- und Ausbau von Strecken zugunsten der Sanierung zurückzustellen.
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