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Bürokratie bremst Stuttgarter Gastronomen aus

Restaurantbetreiber Sebastian Werning hadert mit der Stadtverwaltung. Da ist er nicht der einzige

Sebastian Werning muss sich in Geduld üben bei der Schanklizenz.  FOTO: PRIVAT
Sebastian Werning muss sich in Geduld üben bei der Schanklizenz. FOTO: PRIVAT
Sebastian Werning muss sich in Geduld üben bei der Schanklizenz. FOTO: PRIVAT

STUTTGART. Im Juli war Sebastian Werning noch hoffnungsfroh. Zumindest klang sein Eintrag bei Instagram so: »Die Stadt arbeitet an einer Lösung, sodass diese Unterbrechung so kurz wie möglich ist«, verkündete er auf der Plattform, als er sein Restaurant im Künstlerhaus schließen musste. In der Küche herrschte dicke Luft, weil die entsprechende Anlage nicht funktionierte. Die Verwaltung hätte sich als Eigentümerin des Hauses darum kümmern müssen. Aber es tat sich monatelang nichts. Immerhin konnte er die Eigeninitiative ergreifen, von 8. Oktober an gibt es im Künstlerhaus deshalb wieder Mittagstisch und Menüs am Abend. Bei Wine Not im Westen Stuttgarts führte die langsam mahlende Bürokratie zur Insolvenz: Auch eineinhalb Jahre nach der Eröffnung des Lokals war die beantragte Nutzungsänderung nicht zu be-kommen. »Es nimmt uns sehr mit«, sagt Mitinhaber Marc Müller.

In der Küche vom Künstlerhaus standen die Mitarbeiter irgendwann im Rauch. Die Zustände verstießen gegen den Arbeitsschutz. »Es war nicht mehr tragbar«, erklärt Sebastian Werning die Schließung seines Restaurants. Seit Jahren hatte er das Liegenschaftsamt darauf hingewiesen, dass die Abluftanlage eine Fehlkonstruktion war. Doch in der Verwaltung war niemand für das Problem zuständig. Anfang September, nachdem der Gastronom bei Oberbürgermeister Frank Nopper angeklopft hatte, rückte erst einmal ein Gutachter an, um den Schaden zu überprüfen. Er hat seine Erkenntnisse bis heute nicht vorgelegt. Außerdem hieß es, dass alle Lüftungsbauer ausgebucht seien. Die Bauarbeiten gab er schließlich selbst in Auftrag. Die Pacht, die Nebenkosten und seine Mitarbeiter musste der Gastronom trotzdem weiter bezahlen. Manche Gäste wollten schon Gutscheine zurückgeben und Weihnachtsfeiern stornieren. »Wenn so lange zu ist, wird man schnell vergessen«, sagt er, »es geht wirklich ans Eingemachte.«

Dabei zählt Sebastian Werning mit einer Schließzeit von zweieinhalb Monaten noch zu den Glücklichen. Bei seiner im Juli eröffneten Weinhandlung Vins am Schillerplatz muss er möglicherweise mehr Geduld aufbringen, wie ähnliche Fälle in Stuttgart gezeigt haben. Wein darf er zwar in der früheren Boutique Döttinger verkaufen, für den glasweisen Ausschank fehlt ihm jedoch eine Nutzungsänderung. Seit Mai ist er mit dem Antrag beschäftigt, hat vom Amt zwischenzeitlich Fragen zugeschickt bekommen. Welche Brandschutzklasse das Dach des Gebäudes hat, sollte er unter anderem wissen, dabei war es früher in städtischem Besitz und gehört nun dem Land. »Mein Architekt hätte in der Zeit in Shanghai einen Flughafen gebaut«, ärgert sich der Gastronom. Absurd findet er die Vorgehensweise der Behörden, wie eine Ohrfeige für den Oberbürgermeister, der die Stadt mehr beleben möchte.

Huong Tien Do musste drei Jahre und vier Monate auf seine Nutzungsänderung warten. Im August konnte er endlich sein Lokal Saigon 75 in einem ehemaligen Waffengeschäft an der Königstraße eröffnen. Laut Rathaus hatte er eine behindertengerechte Toilette eigenmächtig verlegen lassen, was zu der Verzögerung führte. In der Eberhardstraße kämpft Fatih Yildizeli seit zweieinhalb Jahren mit den Vorschriften. Von Churros ist er auf Döner umgeschwenkt. »Coming Soon« lautet nach wie vor die Ankündigung im Schaufenster. Und diesen Sommer untersagte die Stadt dem Collegium Wirtemberg den lange praktizierten Weinausschank in der Rotenberger Kelter, weil die Konzession fehlt. Dafür wäre ein Umbau notwendig, den aber das Denkmalschutzamt kritisch sieht. Sebastian Werning kann im Vins den Wein auch nur flaschenweise hergeben. Wenn sich seine Kunden auf den Schillerplatz setzen wollen, wie es früher bei der Weinhandlung Kreis um die Ecke möglich war, leiht er ihnen Gläser aus. »Aber zwei Drittel von ihnen sagen, sie kommen erst wieder, wenn ich ausschenken darf«, berichtet er.

Nur mit Eis, Kaffee und Kuchen konnten Marc Müller und sein Geschäftspartner Michael Roth das Wine Not nicht finanzieren. Mit Weinregalen, massiven Holztischen und bequemen Sesseln hatten sie ihr Lokal ausgestattet. Einen Mittagstisch und Tapas am Abend wollten die beiden bieten, in dem dicht besiedelten Wohngebiet sahen sie viel Potenzial für Gastronomie. Die Fläche in dem Gebäude gegenüber dem Supermarkt, den Michael Roth betreibt, erschien ihnen ideal, die Nutzungsänderung für die neue Gewerbeeinheit unproblematisch. »Viel Geld« hätten sie in Wine Not investiert, sagt Marc Müller. Bei der Verwaltung fragten sie immer wieder nach und wurden immer wieder vertröstet. Anfang September zogen sie die Reißleine. »Aufgrund eines andauernden Genehmigungsprozesses bleibt das Wine Not vorerst leider geschlossen«, steht auf dem Zettel an der Türe. Tatsächlich wird das Lokal am Vogelsang nie wieder öffnen. »Es ist sehr traurig«, sagt Marc Müller. (GEA)