STUTTGART. Bald röhren, quietschen und knattern sie wieder, koste es, was es wolle. Denn während der Karfreitag für die Christen als stiller Feiertag zelebriert wird, ist er für die Autotuning-Szene der Startschuss in die Saison: Am sogenannten Car-Freitag treffen PS-Liebhaber in Baden-Württemberg Jahr für Jahr auf ein Großaufgebot der Polizei. Die macht zwar stets bereits im Vorfeld klar, dass sie gegenüber Rasern und Posern keine Toleranz zeigen wird. Sogenannte Tuner und Poser kommen dennoch immer wieder in größerer Zahl zusammen. Das Wichtigste dazu:
Was ist denn der »Car-Freitag«?
An Karfreitag verabreden sich Autoposer traditionell an szenetypischen Orten und präsentieren ihre aufgemotzten Fahrzeuge. Es ist nach den dunklen Wintertagen der Saisonauftakt für die Motor-Liebhaber. Da lässt dann der eine seinen auf über 300 PS aufgemotzten Sportwagen aufheulen, ein anderer dreht mit driftenden Hinterreifen seine Runden. Hier lässt sich ein Motorradfahrer auf dem Hinterrad fahrend filmen, dort quietscht ein Fahrer mit den Reifen an der roten Ampel. Tiefer müssen die Motorräder und Autos der Poser- und Tuningszene sein, breiter, vermeintlich schöner, lauter und schneller auch. »In den Szenen hat sich der Karfreitag als Startschuss in die Saison herauskristallisiert«, teilt das Innenministerium mit. Laut Landesinnenminister Thomas Strobl ist es der »unselige Saisonbeginn« einer »überflüssigen Szenerie«.
Autotuner, Poser – gibt’s da einen Unterschied?
Tuner und Poser werden häufig mit Rasern in einen Topf geworfen. Tuner legen jedoch Wert darauf, dass es ihnen um das Veredeln ihrer Autos geht, sie wollen ihre Wagen qualitativ und handwerklich auf einem hochwertigen Niveau haben. Problemen mit der Polizei versuchen die Autoenthusiasten aus dem Weg zu gehen, wenn sie – meistens im Rahmen der geltenden Regeln – ihrem Hobby nachgehen. Als »Poser« hingegen bezeichnen die Behörden Autofahrer, die mit aufheulenden Motoren an belebten Plätzen vorbeirollen, um mit ihren oft manipulierten Schlitten zu posieren und zu provozieren. Während Poser nicht vernetzt sind und es nur vereinzelte Treffs gibt, sind Tuner oft in Clubs organisiert und treffen sich.
Was tut die Polizei gegen die Szene?
Landesweit geht die Polizei strenger gegen Fahrer vor, die mit aufgemotzten Fahrzeugen und mächtig Lärm gesehen und gehört werden wollen. Und sie tut dies laut Innenministerium seit drei Jahren auch besser vorbereitet. Spezialisten aller Polizeipräsidien und Experten der Hochschule für Polizei tauschen seit 2021 in einem »Kompetenzteam« Erfahrungen aus. So sollen Konzepte der örtlichen Polizei verbessert und gemeinsame Kontrollen organisiert werden. Vom angekündigten »Ausbremsen« der Szene kann mit Blick auf die Zahlen allerdings noch keine Rede sein. Innenminister Thomas Strobl (CDU) wirft der Szene »rücksichtsloses Imponiergehabe und verantwortungsloses Verhalten« vor.
Ist das erfolgreich?
Wie man’s nimmt. Die Zahlen sprechen zunächst für sich: Im vergangenen Jahr wurden bei Kontrollen in der Autoposer- und Tuning-Szene rund 1.260 Fahrzeuge kontrolliert, es wurden allein am Karfreitag letzte Jahres 361 Verstöße festgestellt und 79 Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen. Im Fokus der Polizei liegen illegale Umbauten an den Autos ebenso wie Lärmbelästigung durch hochdrehende Motoren, auch Raser nahmen sie in den Blick. Viele Eigentümer müssen den Heimweg nach solchen Kontrollen zu Fuß antreten. »Wer in der Szene unterwegs ist, der kennt die Konsequenzen«, sagt Stefan Wilhelm vom Mannheimer Polizeipräsidium.
Und warum trifft sich die Szene trotz aller Kontrollen noch?
Gute Frage. Das wüssten die Beamten auch gerne. Strobl ist da deutlich: »Motorleistung und Hirnleistung stehen zuweilen in einer erschreckenden Disproportionalität«, kritisierte er. »Und wenn ein schwaches Hirn ein PS-starkes Auto steuert, ist das oft keine gute Kombination.«
Gibt es Hotspots in Baden-Württemberg?
Vor allem in Mannheim gilt die Szene als Phänomen. Eigens dazu wurde 2016 eine Polizei-Ermittlungsgruppe gegründet. »Wir haben hier eine Lage, die für Poser günstig ist«, sagt Polizeisprecher Wilhelm. Das Areal rund um Fressgasse, Wasserturm und Kunststraße biete sich an. Dort hielten sich viele Leute auf, es gebe Cafés, vor denen man die Autos präsentieren könne. Zuletzt konnte die Stadt mit einer installierten Schranke aushelfen, die in den Abend- und Nachtstunden den Verkehr abhielt und für Ruhe sorgte. In diesem Jahr sei das nach derzeitigem Stand wegen einer fehlenden Erlaubnis nicht mehr möglich, sagte eine verantwortliche Sprecherin der Stadt.
Wie wehren sich Städte sonst noch?
Ein gutes Beispiel ist sicher die Stadt Singen, einstiger Poser-Magnet am Hohentwiel. Bis vor wenigen Jahren reisten dort Hunderte an, viele von ihnen aus der Schweiz. Für das Osterwochenende hat das Rathaus erneut eine Allgemeinverfügung gegen Treffen der Poser-Szene erlassen. Von Donnerstag bis Ostermontag sind im Stadtgebiet Ansammlungen von mehr als fünf aufgemotzten Fahrzeugen verboten, Verstöße sollen mit einem Zwangsgeld in Höhe von 150 Euro geahndet, Fahrzeuge beschlagnahmt werden. Im vergangenen Jahr war das bereits erfolgreich. »Die Lage war ruhig. Die Allgemeinverfügung hat sicher hierzu beigetragen«, sagt Stadtsprecher Stefan Mohr.
Gibt es die Probleme nur am Kar- oder »Car-Freitag«?
Nein, es gibt Probleme mit Autoposern auch in anderen Jahreszeiten und immer wieder dann, wenn die Szene zusammenkommt. So kontrollierte die Polizei im vergangenen Mai rund um die Messe Tuning World Bodensee in Friedrichshafen Hunderte Autos. An fast jedem dritten Wagen (169) wurden illegale Umbauten festgestellt. Zwischen März und Oktober wurde bei jedem zweiten der knapp 9.600 kontrollierten Autos ein Verstoß festgestellt. 900 Fahrer mussten den Wagen stehen lassen. Für Aufsehen sorgten im Oktober rund 200 Menschen und 100 Autos bei einem Treffen von Autoposern auf dem Parkplatz eines Ludwigsburger Einkaufszentrums. (dpa)