Andy Murray kommentierte gefühlt jeden einzelnen Ballwechsel. Die meiste Zeit schimpfte der britische Tennisprofi mit sich. Dabei zog er nach anfänglichen Problemen doch recht souverän ins Achtelfinale des ATP-Rasenturniers in Stuttgart ein. Mit 6:4, 6:3 gewann der frühere Weltranglisten-Erste am Dienstag sein Erstrunden-Match gegen den zwischenzeitlich angeschlagenen Australier Christopher O'Connell. Die erfolgreiche Weissenhof-Premiere des Routiniers zeigte, was ihn immer noch antreibt: die Liebe zum Spiel.
»Einige Sachen haben gut funktioniert, einige noch nicht so«, sagte Murray, der im ersten Satz 0:3 zurückgelegen hatte. Gut bewegt habe er sich, analysierte der 35-Jährige. Den Aufschlag könne er noch verbessern. Zudem müsse er sich an die Courts bei den Boss Open noch gewöhnen. Murray ist zum ersten Mal in Stuttgart dabei - und neben dem topgesetzten Griechen Stefanos Tsitsipas einer der großen Stars im Feld. Sein nächster Gegner ist der Kasache Alexander Bublik.
Den Anschluss an die Weltspitze hat der Schotte, der wegen seiner schwerwiegenden Hüftprobleme zwischenzeitlich schon vor dem Karriereende stand, zwar verloren. Auf Rang 68 liegt Murray, der über viele Jahre hinweg mit dem Spanier Rafael Nadal, dem Schweizer Roger Federer und dem Serben Novak Djokovic das Herren-Tennis geprägt hat, aktuell im Ranking. Während Nadal in Paris vergangene Woche zu seinem 14. French-Open-Triumph stürmte, kämpfte sich Murray ins Halbfinale des weniger glanzvollen Challenger-Turniers im englischen Surbiton.
Rasen statt Sand also. Murray hat die Vorbereitung auf das am 27. Juni beginnende Grand-Slam-Turnier in Wimbledon schon eine Woche früher begonnen als die meisten seiner Konkurrenten - und setzt sie in Stuttgart nun fort. Der zweimalige Wimbledonsieger will bereit sein für die nächste Auflage des Klassikers im All England Lawn Tennis and Croquet Club, ordnet dem prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt alles unter.
Warum er nach all den körperlichen Querelen der letzten Jahre denn überhaupt noch weitermacht, wurde Murray nach seinem Sieg gegen O'Connell gefragt. »Nummer eins: Ich liebe das Spiel«, sagte der dreimalige Grand-Slam-Champion und zweimalige Olympiasieger. »Und Nummer zwei: Ich glaube, dass ich immer noch auf höchstem Niveau spielen kann.« Zuletzt habe er das nicht mehr konstant zeigen können. Nun hoffe er eben auf eine möglichst lange verletzungsfreie Zeit.
Und noch etwas hofft Murray: dass er nochmal ein Grand-Slam-Turnier mit Nadal, Federer und Djokovic bestreiten kann. »Ich hoffe es wirklich sehr«, betonte er. Er würde ihn gerne wieder spielen sehen, sagte er über den Schweizer Federer, der nach einer erneuten Knie-OP wohl erst im Herbst wieder auf die Tour zurückkehrt. Auch das ist es, was Murray bei seiner Mission in Stuttgart womöglich mit antreibt.
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