Traditionelle Weihnachtslieder nehmen nach Beobachtung eines Experten an Bedeutung ab - Singen generell komme aber nicht aus der Mode. »Popsongs verdrängen das klassische Liedgut«, sagte der Präsident der Mannheimer Musikhochschule, Rudolf Meister, der Deutschen Presse-Agentur. Zu Weihnachten werden etwa Radiohörer mit Liedern wie »Driving Home for Christmas« (Chris Rea) und »Last Christmas« von Wham! überflutet.
Meister sagte, Singen sei immer noch sehr beliebt. »Ob unter der Dusche, im Auto oder in den zahlreichen Amateurchören - Menschen singen, was sie täglich hören, was sie auswendig können, weil sie es im Ohr haben«, erläuterte der Pianist und fügte hinzu: »Das sind eben nicht mehr in erster Linie Lieder wie «Es ist ein Ros entsprungen» oder «Ihr Kinderlein kommet» mit ihrem religiösen Hintergrund.«
Indes hat die grün-schwarze Landesregierung beschlossen, die Gelder für Chorleiter- und Dirigentenpauschalen ab 2024 auf 6,2 Millionen Euro zu verdoppeln.
Nach Auffassung von Hochschulleiter Meister ist Singen die grundsätzlichste musikalische Erfahrung und allen Menschen angeboren; und der Drang dazu sei in keiner Gesellschaft gebrochen - nur die Inhalte und Gesangsarten veränderten sich. Er selbst habe als Kind noch Weihnachtslieder unter dem Weihnachtsbaum geschmettert und sie auf dem Klavier begleitet. »Heute haben wir nicht einmal mehr einen Weihnachtsbaum.«
Für die gesellschaftliche Entwicklung sei es nicht entscheidend, so der Professor für Klavier, was gesungen wird; es gehe vielmehr darum, dass gesungen werde.
Es gibt auch »Ich-kann-nicht-singen-Chöre«, unter anderem in Stuttgart. Dort werde man ganz schnell erfahren, dass es doch geht, heißt es auf der Webseite. Chorleiterin Jeschi Paul zeigt sich davon überzeugt: »Wer sprechen kann, kann auch singen. Wir singen schon beim Sprechen, wir produzieren Töne, Klänge und Geräusche in verschiedenster Form.« Für Meister stehen nicht die Fähigkeiten im Vordergrund. Musik bereichere das Leben und gemeinsames Musizieren verbindet die Menschen. »Und selbst bei geringer Begabung kann jeder Singen lernen!«, meint Meister.
Die für den Doppelhaushalt 2023/2024 vorgesehene Erhöhung der Mittel für Chorleiter- und Dirigenten soll nach Angaben der CDU im Landtag das »hervorragende« musikalische Niveau der Gesangs- und Musikvereine im Land sichern und deren Bemühungen um neue Mitglieder unterstützen. Künftig wird jede Chorleiterstelle mit 500 Euro im Jahr bezuschusst. Wie hoch die Aufwandsentschädigung eines Chorleiters tatsächlich ist, variiert je nach Verein und Aufwand, wie die CDU-Fraktion weiter mitteilte.
Gemeinsames Singen und Musizieren im Verein hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition. In rund 12.000 Ensembles von Gesangs- und Musikvereinen engagieren sich nach CDU-Angaben rund eine Million Mitglieder.
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