Der frühere Arbeiter einer Goldringfabrik in Pforzheim hat regelmäßig zugegriffen, um die Goldspäne einzusammeln und dann mitzunehmen. Die Beute im Wert von 960.000 Euro schmolz er nach Überzeugung des Gerichts in seinem Gartenhaus ein und verkaufte sie in Barren an Hehler in Köln. Die Strafkammer der Außenstelle Pforzheim des Karlsruher Landgerichts verurteilte den geständigen 50-Jährigen am Freitag wegen gewerbsmäßigen 27-fachen Diebstahls zu drei Jahren und acht Monaten Haft.
Pforzheim ist die deutsche Schmuckstadt. Der Richter wies den Mann in seiner sehr knappen Urteilsbegründung darauf hin, dass ihm möglicherweise noch ein weiteres Verfahren droht. »Die Hälfte der Vorwürfe hat sich nicht erledigt.« Denn ursprünglich lautete die Anklage auf 66 Fälle. Der Wert des gesamten Goldes wurde mit fast 1,7 Millionen Euro beziffert. Die nun übrig gebliebenen 39 Fälle wurden abgetrennt. In diesen Fällen behauptete der Mann, die Goldspäne von jemanden bekommen zu haben, wie der Richter erläuterte. In diesem Zusammenhang müssen nun Chatprotokolle ausgewertet werden. Dann wird entschieden, wie es weiter geht.
Ende des vergangenen Jahres war der 50-Jährige verhaftet worden. Die jetzt abgeurteilten Taten beging er von Mitte 2019 bis Ende 2021, wie der Staatsanwalt erläuterte. Er hatte eine Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten beantragt. Die Verteidigung wollte für ihren Mandanten eine Haftstrafe von nicht mehr als drei Jahren.
Der Verteidiger sagte, der Diebstahl sei dem Angeklagten leicht gemacht worden. Schon früher habe es »Schwund« in dem Unternehmen bei den Goldspänen gegeben. Dagegen sei aber von Seiten der Firma nichts unternommen worden. Außerdem sei ein Großteil der Beute sichergestellt worden und der Mann wolle den Schaden wiedergutmachen. Das Haus habe aber bisher noch nicht verkauft werden können.
Der Staatsanwalt sagte, mit dem Diebstahl der Goldspäne habe der Angeklagte sich eine laufende Einnahmequelle geschaffen. Das Geld aus dem Verkauf sei unter anderem in das Haus der Familie gesteckt worden. So wurde ein Whirlpool eingebaut oder ein Wintergarten angebaut. Bei der Durchsuchung wurde auch ungewöhnlich viel Bargeld gefunden. »Er hatte hohe sechsstellige Beträge zuhause.«
Der Mann habe die laxen Sicherheitsvorkehrungen bei seinem Arbeitgeber gezielt ausgenutzt, sagte der Staatsanwalt. Er sei zur Arbeit gegangen, um stehlen zu können. Kein Einzelfall, aber auch nicht die Regel in der Branche. Während die Sicherheitskonzepte in den Scheideanstalten sehr hoch und effizient seien, gebe es wie überall immer mal wieder ähnliche Fälle, sagte York Tetzlaff, Geschäftsführer der Fachvereinigung Edelmetalle (FVEM). »Es gibt vermeintliche Gelegenheiten. Und wenn diese zusammenkommen mit dem Umgang mit wertvollen Materialien und krimineller Energie, dann kann das passieren.« Scheideanstalten sicherten sich vor allem durch Taschen- und Körperscanner ab, es herrsche ein strenges Vier-Augen-Prinzip, einige Unternehmen hätten auch spezielle Schuhbürsten für mögliche Produktionsreste oder klebende Bodenbeläge, außerdem würden die durch den Betrieb laufenden Edelmetallmengen fortwährend gemessen.
Immer wieder erliegen Mitarbeiter vor allem abseits der Scheideanstalten dennoch der Versuchung und schmuggeln Goldspäne aus den Produktionsstätten heraus. Erst Ende März war in Regensburg ein Mann zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er feine Goldspäne gestohlen haben soll. Insgesamt ging es um Diebesgut mit einem Gesamtgewicht von mindestens 68,4 Kilogramm. Den Wert des Diebesgutes veranschlagten die Richter mit rund 1,13 Millionen Euro. Davon hatte der Mann etwa 400.000 Euro für sich behalten. Der Rest war an einen Mittelsmann gegangen, der das Gold weiterverkauft hatte. Im Urteil wurden dem Mann auch noch vier Fälle von Drogenhandel zur Last gelegt.
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