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Ärger im »Maschinenraum der Republik«: Brandbrief an Scholz

Um vom Schnecken- zum von Kanzler Scholz gewollten Deutschlandtempo zu kommen, fordern schwäbische Oberbürgermeister mehr Entscheidungsfreiheit. Sie liefern Ideen gegen den Vorschriftendschungel und weniger Bürokratie. »Schenken Sie uns Kommunen mehr Vertrauen«, bitten sie.

Boris Palmer
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen. Foto: Felix Kästle/DPA
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen.
Foto: Felix Kästle/DPA

Tübingens parteiloser Oberbürgermeister Boris Palmer und die Rathauschefs von Schwäbisch Gmünd und Esslingen haben sich zum Bürokratieabbau direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt. Palmer, Richard Arnold (CDU) und Matthias Klopfer (SPD) fordern in einem 14-seitigen Schreiben für Kommunen das Recht, begründet von Vorschriften und Normen abzuweichen, wo dies vor Ort notwendig erscheint. Mit Beispielen aus dem »Maschinenraum der Republik« führen sie an, wie absurd sich viele Vorschriften auswirken und machen einige Vorschläge, wie sich dies vermeiden ließe.

Laut Scholz sollten Ampel-Koalition, Opposition, Länder und Kommunen besser als bisher zusammenarbeiten, um unter anderem Bürokratie und langatmige Genehmigungsprozesse zu bekämpfen. Am Mittwoch wurde bekannt, dass Scholz CDU-Chef Friedrich Merz sowie die Ministerpräsidenten-Vertreter Boris Rhein (CDU) und Stephan Weil (SPD) zu einem Gespräch über den Deutschland-Pakt am Freitagabend eingeladen hat.

»Kern vieler Probleme ist, dass die zuständigen Stellen in der Regel nur auf ihr eigenes Anliegen schauen und den Blick für sinnvolle, ergebnisorientierte, effiziente und bürgerfreundliche Lösungen nie einnehmen mussten«, heißt es in dem Brief, der am Dienstagabend in Tübingen veröffentlicht wurde.

So hätten Vorschriften für Fluchtwege und Brandschutz in öffentlichen Gebäuden jeden Sinn für das reale Ausmaß von Gefahren verloren. Die Festung Hohentübingen gehöre zu den sichersten Orten in der Universitätsstadt. Der Innenhof des Schlosses sei gekiest, brennen könne da nichts und ein Attentäter käme mit einem Lkw nicht mal durch das Tor. »Trotzdem wurden selbst Klassikkonzerte verboten, weil die Herzöge von Württemberg vor 500 Jahren die heutigen Normen für Fluchtwegbreiten missachtet haben.«

Quälend lange seien auch die Anpassungsprozesse der Bürokratie an neue Entwicklungen. »Die Einführung eines komplett digitalen Verfahrens für Bewohnerparkausweise scheiterte bislang daran, dass die Kommunen ein Muster aus dem Verkehrsblatt des Jahres 2002 verwenden müssen, das Kartonstärke für das zu verwendende Papier vorschreibt. Das kann niemand zu Hause ausdrucken, also muss man doch wieder zum Amt.«

Thema Trinkbrunnen: Seit 2022 gilt für öffentliche Trinkstellen, dass das Wasser monatlich zu beproben ist. Ebenfalls sind wöchentliche Sichtkontrollen und Reinigungen vorgeschrieben und die Prüfung aller Sicherungseinrichtungen zwei Mal pro Jahr. »Aufwand und Kosten für den Betrieb von Trinkbrunnen haben sich damit auf einen Schlag in etwa verdreifacht.« Die neue Regelung sieht zudem vor, dass täglich mindestens zwei Liter des Trinkbrunnens genutzt werden müssen. »Das bedeutet für Schwäbisch Gmünd beispielsweise, dass entweder für 71 500 Euro Trinkbrunnen (6500 Euro pro Trinkbrunnen) mit automatischem Wasserverbrauch neu angeschafft werden müssen oder ein Mitarbeiter damit beschäftigt ist, reihum täglich die elf Brunnen zu bedienen. Das damit verlorene Wasser beläuft sich allein für die vorhandenen Brunnen in Schwäbisch Gmünd jährlich auf ca. 4000 Liter.«

Es ist nicht das erste Mal, dass Oberbürgermeister ihrem Ärger Luft machen. In einem Brandbrief prangerten sie vor drei Jahren die Gewaltbereitschaft vor allem junger Flüchtlinge an. Es sei kein Zufall, dass in der Krawallnacht von Stuttgart von 24 in der Nacht festgenommenen jungen Männern allein neun Asylbewerber gewesen seien. Es sei die Fortsetzung eines Musters, »das bei vielen Straftaten der letzten Jahre erkennbar war«. Das schrieben ebenfalls Palmer, Arnold und Klopfer.

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