Wiesbaden/Berlin (dpa) - Immer weniger Schüler und Studenten absolvieren ihre Ausbildung mithilfe von Bafög-Leistungen. Vergangenes Jahr erhielten 782.000 Schüler und Studenten die staatliche Ausbildungsförderung, etwa 41.000 oder fünf Prozent weniger als im Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte.
Die Zahl der Geförderten sinkt bereits seit 2013. Da zuletzt pro Kopf mehr ausgezahlt wurde, stiegen die staatlichen Ausgaben 2017 zugleich um rund 70 Millionen Euro (2,4 Prozent) auf 2,9 Milliarden Euro.
Seit 2015 finanziert der Bund die Leistungen voll, die Kindern von Eltern mit niedrigeren Einkommen den Weg bis zum Abitur und ein Studium ermöglichen sollen. Nach einem Bericht der Bundesregierung vom Dezember ging die Zahl der Empfänger innerhalb von vier Jahren bis 2016 um 16,7 Prozent zurück.
Von 2010 bis 2016 waren Bedarfssätze und Freibeträge nicht erhöht worden. Die Quote der geförderten Studenten sank in diesem Zeitraum von 27,3 auf 22,1 Prozent der Anspruchsberechtigten. Ein 2017 geförderter Student bekam im Schnitt 499 Euro pro Monat und ein Schüler 456 Euro. Insgesamt floss Bafög vergangenes Jahr an rund 225.000 Schüler und 557.000 Studenten.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte, Bafög solle auch die Familien entlasten, die die Ausbildung ihrer Kinder nur unter erheblichem eigenen Verzicht finanzieren könnten. Die Ministerin verwies auf den Koalitionsvertrag, in dem festgelegt ist, dass hier bis 2021 eine Trendumkehr erreicht werden soll. Für eine Bafög-Reform soll bis dahin eine Milliarde Euro zusätzlich fließen. Karliczek erklärte, sie wolle einen Gesetzentwurf vorlegen, der zum Schuljahresbeginn 2019/2020 in Kraft treten solle.
Aus Sicht von Kritikern reicht dies nicht. »Das Bafög braucht dringend eine Trendwende«, sagte der hochschulpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Kai Gehring, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Selbst eine sofortige Reform mit der im Koalitionsvertrag genannten Summe könne den dramatischen Rückgang der vergangenen Jahre nicht kompensieren. Notwendig seien unter anderem eine sofortige Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge um mindestens 10 Prozent und eine regelmäßige Anhebung.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schloss sich an. Ministerin Karliczek müsse die Talfahrt stoppen und so schnell wie möglich eine Bafög-Novelle auf den Weg bringen, forderte die Gewerkschaft. Nur noch jeder achte Studierende erhalte derzeit die staatliche Förderung.
Auch das Deutsche Studentenwerk und der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern eine zügige und kräftige Erhöhung der Fördersätze und Freibeträge. Das Studentenwerk startete jüngst eine Kampagne unter dem Motto »Angst vor Verschuldung? Hol dir Bafög!«. Auf Plakaten heißt es unter anderem: »Bafög ist Geld vom Staat. Für 10 Semester können das 44 100 Euro sein. Und das Beste: Zurückzahlen musst du höchstens 10 000 Euro. Zinsfrei.«
Jungen Menschen sollten mit der Kampagne die Vorzüge von Bafög aufgezeigt werden, sagte Studentenwerk-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde: »Das Bafög wird oft schlechter hingestellt, als es ist, und wir wissen aus unseren regelmäßigen Studierenden-Befragungen, dass Familien aus Sorge um eine angebliche Verschuldung erst gar keinen Bafög-Antrag erwägen. Wir wollen mit positiven Botschaften dagegenhalten.«
Zu dieser Entwicklung passt, dass heute deutlich weniger junge Menschen als noch vor einigen Jahren einen günstigen Studienkredit aufnehmen, um ihre akademische Ausbildung zu finanzieren. Die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge sank zwischen 2014 und 2017 um rund ein Drittel von 59.000 auf 41.000 - trotz steigender Studierendenzahlen. Das zeigte der im Juli veröffentlichte Studienkredit-Test des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Die CHE-Experten gehen davon aus, dass es wieder mehr Studenten gelingt, ihre Hochschulausbildung mit einem Nebenjob zu finanzieren.