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Wissler will Linke vorerst alleine weiterführen

Parteichefin Hennig-Wellsow ist zurückgetreten. Sie begründet dies auch mit dem Umgang der Linken mit Sexismus in den eigenen Reihen. Die Co-Vorsitzende Wissler will erstmal weitermachen.

Janine Wissler
Die Bundesvorsitzende Janine Wissler spricht bei einer Delegiertenversammlung der Linken in Nordrhein-Westfalen. Foto: Henning Kaiser
Die Bundesvorsitzende Janine Wissler spricht bei einer Delegiertenversammlung der Linken in Nordrhein-Westfalen.
Foto: Henning Kaiser

Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler will die Partei nach dem Rücktritt von Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow vorerst alleine weiterführen.

Wissler komme damit einer Bitte des Bundesvorstands nach, sagte ein Parteisprecher am späten Mittwochabend nach einer Krisensitzung der Parteispitze der Deutschen Presse-Agentur. Ob die Parteispitze vorzeitig neu gewählt werden soll, blieb zunächst offen.

Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler hatte am Mittwochnachmittag getwittert, er wolle vorschlagen, dass die Linke schon auf dem Parteitag im Juni einen neuen Vorstand wähle. Am späten Abend erklärte der Parteisprecher, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, die Frage des Zeitplans wolle die Partei in den kommenden Tagen klären.

Überraschender Rücktritt

Hennig-Wellsow hatte am Mittwoch nur ein Jahr und zwei Monate nach dem gemeinsamen Amtsantritt ihren sofortigen Rücktritt erklärt. Sie begründete ihren Schritt mit unerfüllten Erwartungen bei der Erneuerung der Partei, mit persönlichen Motiven, aber auch mit dem Umgang der Linken mit Sexismus in den eigenen Reihen. Dieser habe »eklatante Defizite« der Partei offengelegt.

Wissler steht selbst unter erheblichem Druck, nicht nur wegen der schlechten Wahlergebnisse. Sie war viele Jahre Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag. Der »Spiegel« hatte vergangene Woche über »mutmaßliche Grenzüberschreitungen, Machtmissbrauch und eine toxische Machokultur« im hessischen Landesverband berichtet. Wissler wird vorgeworfen, als Fraktionschefin nicht rechtzeitig genug zur Aufarbeitung unternommen zu haben. Die mit der Linken verbundene Linksjugend sieht ein bundesweites Problem in der Partei.

Der Bundesvorstand hatte am Mittwochabend lange über den überraschenden Rücktritt Hennig-Wellsows beraten. Im Fokus der digitalen Krisensitzung, die bereits vor dem Rücktritt der Co-Chefin angesetzt worden war, stand auch der Umgang mit den Verdachtsfällen sexueller Übergriffen innerhalb der Partei.

»Haltungen und Strukturen« verändern

»Die Linke hat erkannt, dass Haltungen und Strukturen verändert werden müssen«, teilte der Parteisprecher nach den Beratungen mit. »Wir bedauern die sexuellen Übergriffe in unserer Partei zutiefst und entschuldigen uns bei den Opfern«, twitterte die Partei am späten Mittwochabend.

Zur Aufarbeitung der Vorfälle wolle die Partei nun externe Berater einsetzen, teilte der Sprecher mit. Der Parteivorstand habe in seiner knapp dreistündigen digitalen Sitzung einstimmig einen entsprechenden Antrag mit dem Titel »Solidarität mit Betroffenen und konsequentes Handeln gegen Sexismus, Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt« verabschiedet.

In Frankfurt will sich die Linksfraktion im hessischen Landtag an diesem Donnerstag zum Umgang mit den Vorwürfen sexueller Übergriffe äußern. Auf der Pressekonferenz werden auch die beiden Landesvorsitzenden Petra Heimer und Jan Schalauske erwartet.

Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sieht die Linke in einer ihrer schwersten Krisen. Aus seiner Sicht sei es aber falsch zu sagen, die neue Parteiführung verantworte die schlechten Wahlergebnisse im Saarland und bei der Bundestagswahl, sagte er am Abend in den ARD-»Tagesthemen«. Jetzt gelte es, die »programmatische Erneuerung voranzutreiben« und die strategischen Fragen zu beantworten, wo der Platz der Partei in der Bundesrepublik und im nächsten Jahrzehnt sei.

© dpa-infocom, dpa:220420-99-983183/5