Nach Protesten gegen die Vorgehensweise der Ausländerbehörde Passau bei der bevorstehenden Abschiebung eines Iraners ist das Verfahren ausgesetzt worden. Auf Antrag des Innenministeriums wurde der Mann wieder aus dem Gewahrsam entlassen, wie ein Sprecher mitteilte. Der Flüchtlingsrat hatte am Dienstag kritisiert, dass der 41 Jahre alte Mann mit einem falschen Versprechen in das Amt gelockt und dort von zwei Beamten zwecks Abschiebung festgenommen worden sei. Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete am Mittwoch darüber.
Laut Innenministerium müssen die ausländerrechtlichen Entscheidungen in dem Fall noch einmal sorgfältig überprüft werden. Die Ausländerbehörde sei gebeten worden, einstweilen von einer Abschiebung abzusehen. Das Landratsamt teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, dass zum Zeitpunkt der Einladung an den Betroffenen eine Abschiebung noch nicht terminiert gewesen sei. »Die Einladung per Mail durch die Sachbearbeiterin erfolgte also nicht in der Absicht, falsche Tatsachen vorzuspiegeln.«
Laut Flüchtlingsrat hatte der 41-Jährige eine Beschäftigung bei einem Pflegedienst in Aussicht und bei der Ausländerbehörde einen Antrag auf Beschäftigungsduldung gestellt und dort seinen Reisepass zur Prüfung abgegeben. Zwei Monate später habe ihn eine Sachbearbeiterin einbestellt, damit die Beschäftigung in das Duldungspapier eingetragen werden könne.
"Statt einer Arbeitserlaubnis und einer Aufenthaltsperspektive erwarteten ihn zwei Polizeibeamte, die ihn abführten", schrieb der Flüchtlingsrat, und weiter: »Wir halten ein solches Verhalten einer bayerischen Behörde für untragbar.« Bayerns SPD-Generalsekretär Arif Taşdelen schloss sich der Kritik an - insbesondere angesichts der aktuellen, politischen Situation im Iran.
Der Mann sei 2018 aus dem Iran geflohen, so der Flüchtlingsrat. Jedoch habe ihm das Bundesamt für Migration nicht geglaubt, dass er sein Land aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe und bei einer Rückkehr aufgrund seines Übertrittes zum Christentum gefährdet sei.
Aus dem Landratsamt Passau hieß es am Mittwoch: »Der erneuten Überprüfung des Falls stehen wir offen gegenüber.« Der Fall sei an die zuständige Ausländerbehörde der Regierung von Niederbayern übergeben worden.
Niedersachsen setzt Abschiebungen in Iran aus
Angesichts der Proteste im Iran und der gewaltsamen Reaktion der Sicherheitskräfte kündigte Niedersachsen am Donnerstag an, Abschiebungen in das Land auszusetzen. Innenminister Boris Pistorius will zudem bei der nächsten Innenministerkonferenz für einen allgemeinen Abschiebestopp werben und einen entsprechenden Beschlussvorschlag einbringen. »Die Menschenrechtslage ist katastrophal und die Lage wird jeden Tag dramatischer«, sagte der SPD-Politiker. Die nächste Innenministerkonferenz ist vom 30. November bis zum 2. Dezember.
Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte forderten die anderen Bundesländer auf, dem Beispiel Niedersachsens zu folgen. »Jede Landesregierung kann und muss sofort Abschiebungen aussetzen«, verlangten die Organisationen. Spätestens bei der Innenministerkonferenz im Dezember müsse ein formaler Abschiebungsstopp beschlossen werden.
Abschiebungen in den Iran hat es nach Pistorius' Angaben aus Niedersachsen in den vergangenen Jahren kaum gegeben. 2020 und 2021 wurden demnach insgesamt zwei Männer abgeschoben.
Faeser fordert Länder zum Stopp von Abschiebungen auf
Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstrantinnen und Demonstranten plädiert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für einen bundesweiten Stopp von Abschiebungen in den Iran. »Abschiebungen in den Iran sind in der aktuellen desaströsen Menschenrechtslage nicht verantwortbar«, sagte Faeser dem »Spiegel«. »Ein Abschiebestopp ist der richtige Schritt, über den die Länder schnellstmöglich entscheiden sollten.«
Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte im August 2021 die Unterstützung für Sammelabschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt, als die Taliban dort immer weiter vorrückten. Wie es aus dem Ministerium hieß, ist dies jedoch nicht mit der aktuellen Situation vergleichbar. Bei Afghanistan sei es um Sammelabschiebungen gegangen, nach Iran gebe es diese hingegen nicht.
Das Mullah-Regime im Iran lasse »den friedlichen Protest mit brutaler Gewalt niederschlagen«, erklärte Faeser im »Spiegel« weiter. Junge Frauen lehnten sich »mit unfassbarem Mut gegen die Gewalt- und Unterdrückungsherrschaft auf« und riskierten ihr Leben im Kampf für Freiheit. »Alles, was wir hierzulande zum Schutz der mutigen iranischen Zivilgesellschaft tun können, müssen wir tun«, sagte sie.
© dpa-infocom, dpa:221006-99-23975/7