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Vor Corona-Beratungen: Kaum Chancen für Lockerungen

Am Montag wollen Kanzlerin und Ministerpräsidenten eine Zwischenbilanz des Teil-Lockdowns ziehen. Mit Lockerungen ist kaum zu rechnen.

Coronavirus
Aufeinander gestapelte Stühle eines geschlossenen Gastronomiebetriebs. Foto: Marijan Murat/dpa
Aufeinander gestapelte Stühle eines geschlossenen Gastronomiebetriebs. Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN. Vor den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder am Montag deuten sich keine Lockerungen des Teil-Lockdowns an - auch wenn eine Mehrheit der Deutschen das befürworten würde.

Wie weiter mit dem Teil-Lockdown?

Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht noch keine wesentlichen Erfolge des Teil-Lockdowns. »Zur Zwischenbilanz gehört auch, dass die Infektionszahlen nach wie vor viel zu hoch sind. Sehr viel höher sogar als vor zwei Wochen«, sagte der CDU-Politiker der »Bild am Sonntag«. »Trotz aller Anstrengungen ist eine Wende zum Besseren noch nicht erreicht.« Für das Öffnen von Restaurants und Kinos sehe er wenig Spielraum. »Wir werden zumindest in den nächsten vier bis fünf Monaten mit erheblichen Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen leben müssen.«

Auch Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sieht keine Chance für Lockerungen. »Aus meiner Sicht gibt es für Lockerungen aufgrund der hohen Infektionszahlen keine Grundlage«, sagte er der Zeitung. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte Lockerungen der Corona-Kontaktbeschränkungen für Weihnachten von deutlich sinkenden Infektionszahlen abhängig. »Bei den Maßnahmen, die wir getroffen haben, geht es darum, die Infektionswelle zu brechen, erst, wenn uns das gelingt - und zwar auf durchschlagende Weise -, können wir darüber sprechen, wie wir Weihnachten gestalten«, sagte der Grünen-Politiker der »Augsburger Allgemeinen« (Montag).

Unterstützung kommt vom Städte- und Gemeindebund. »Nach wie vor sind die Infektionszahlen deutlich zu hoch, und die Kontaktverfolgung gelingt nicht flächendeckend. Deswegen besteht zurzeit kein Anlass, Lockerungen vorzusehen«, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Sonntag/Print Montag). Gerade die Schließung von Gastronomie und Kultur führe zu einer deutlichen Reduzierung der Kontakte. »Eins steht schon jetzt fest: Ein Weihnachtsfest wie im Jahr 2019 wird es dieses Jahr nicht geben können«, sagte Landsberg.

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland sprach sich in einer Umfrage allerdings dafür aus, dass im Dezember Restaurants und Kultureinrichtungen wieder öffnen dürfen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar für die »Bild am Sonntag« gaben 78 Prozent der Befragten an, dass Restaurants im Dezember wieder öffnen sollten. Eine Öffnung von Kultureinrichtungen würden 68 Prozent begrüßen.

Die Lage bei den Intensivbetten

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) fordert, dass in Corona-Hotspots alle verschiebbaren medizinischen Eingriffe in Krankenhäusern abgesagt werden. »Es ist allerhöchste Zeit, die Kliniken vom Regelbetrieb zu nehmen, damit wir uns voll auf die Intensivstationen konzentrieren können - und zwar nicht nur auf Covid-19-Patienten, sondern auf alle Schwerkranken«, sagte DIVI-Präsident Uwe Janssens der »Bild am Sonntag«. Dafür seien die Kliniken aber wie im Frühjahr auf Ausgleichszahlungen durch die Politik angewiesen.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnte vor einer sich abzeichnenden Überlastung der deutschen Krankenhäuser gewarnt. »Wenn es so weitergeht wie gegenwärtig, werden wir mit massiven Personalproblemen und am schlimmsten Bettenmangel kämpfen müssen«, sagte er der »Augsburger Allgemeinen« (Montag). »Wir werden also - das ist meine Prognose - eher über weitere Einschränkungen reden müssen als über Lockerungen«, betonte er.

Corona-Strategie

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat erneut die Strategie des Robert Koch-Instituts (RKI) in der Corona-Pandemie kritisiert. »Ich bin davon überzeugt, dass der jetzige Weg ineffizient ist. Wir verlieren viel Zeit bei der Nachverfolgung von Einzelkontakten«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Sonntag/Print Montag). »Diese werden zu spät erreicht - nachdem sie schon viele andere infizieren konnten. Umgekehrt werden auch Personen kontaktiert, die sich gar nicht anstecken konnten.« Man müsse sich darauf konzentrieren, Superspreader-Ereignisse zu isolieren, forderte der Epidemiologe. Zudem forderte Lauterbach, die Dauer der Quarantäne von 14 auf 10 Tage zu verkürzen.

Corona-Warn-App weiterentwickeln

Mehrere Politiker haben sich für Änderungen an der Corona-Warn-App ausgesprochen. Die App müsse um zahlreiche Funktionen erweitert und vor allem bei der Kontaktnachverfolgung verbessert werden, forderte Kretschmann. »Wir brauchen zum Beispiel eine Check-in-Funktion für Gastronomie und Veranstaltungen, dann kann man auch mit der Zettelwirtschaft aufhören«, sagte er der »Augsburger Allgemeinen« (Montag). Zudem brauche es unter anderem eine Erhöhung der Weiterleitungsquote bei positiven Tests, einen häufigeren Datenabgleich und ein Kontakttagebuch.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sprach sich für eine Weiterentwicklung aus. »Jeder Nutzer sollte die Möglichkeit erhalten, durch entsprechende Freigaben zu erfahren, wann und wo er einen Kontakt mit Infizierten gehabt hat«, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Online Sonntag/Print Montag).

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach forderte, dass das Warnen der Kontakte die Regel werden müsse. "Es kann nicht sein, dass die Warnung nach positiven Testergebnissen erst noch freigeschaltet werden muss, sagte er den Funke-Zeitungen. Außerdem sollte den App-Nutzern seiner Ansicht nach mitgeteilt werden, wann genau eine Risikobegegnung war. "Uns läuft die Zeit davon. Diese Funktionen werden dringend benötigt."

Schulunterricht in Gaststätten?

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat Schul-Unterricht in geschlossenen Gaststätten und Hotels vorgeschlagen, um die Abstandsregeln besser einhalten zu können. »In Klassenräumen ist es oft schwer, den ausreichenden Abstand einzuhalten«, sagte der CDU-Politiker der »Bild am Sonntag«. »Ich würde es begrüßen, wenn der Unterricht deshalb auch zum Beispiel in Gemeindezentren, Kulturhäusern oder in den ungenutzten Räumen von Gaststätten und Hotels stattfinden würde.«

Der Kieler Bildungsforscher und Psychologe Olaf Köller warb dafür, zumindest ältere Schüler digital von zu Hause zu unterrichten. Programme für den Distanzunterricht sollten dabei langfristig bis Ende März angelegt werden und nicht nur bis Weihnachten, sagte Köller, der an mehreren Stellungnahmen der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, zur Corona-Pandemie mitgeschrieben hat. (dpa)