BERLIN. Der Globale Pakt für Migration sorgt für Aufregung. Mehrere Petitionen dagegen sind beim Bundestag eingegangen. Die AfD läuft seit Wochen Sturm gegen die UN-Vereinbarung. Auch aus der Union kommt vereinzelt Kritik. Die Bundesregierung will trotzdem an dem Pakt festhalten.
Warum hat die Öffentlichkeit erst jetzt von dem Pakt erfahren?
Niemand hat versucht, den Pakt geheim zu halten. Vielmehr hat sich lange Zeit einfach fast niemand dafür interessiert. Das liegt sicher auch daran, dass es Diplomaten, Abgeordnete und Pressesprecher zwei Jahre lang nicht geschafft haben, das Thema einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. Schon bei der europäischen Datenschutz-Grundverordnung hat sich gezeigt, welche Probleme schlechte politische Kommunikation nach sich ziehen kann: Die Verordnung zur Verarbeitung personenbezogener Daten war zwar schon Jahre vorher beschlossen. Sie traf viele Vereine und einige deutsche Firmen im vergangenen Mai trotzdem völlig unvorbereitet.
Warum reden jetzt plötzlich alle über den Pakt?
Nationalkonservative und rechtspopulistische Parteien haben das Thema für sich entdeckt. Sie stellen den Pakt dar als offene Einladung an Migranten, sich in Deutschland niederzulassen. »5 vor 12 - Migrationspakt stoppen«, heißt es bei der AfD. Anders als bei komplexen Fragen wie Fachkräftezuwanderung oder Abschiebungen bietet der Pakt Politikern die Möglichkeit, sich in der Migrationspolitik zu positionieren, ohne Lösungen für konkrete Probleme liefern zu müssen.
Was ändert sich für Deutschland?
Konkret erst einmal nicht viel. Der Pakt ist kein völkerrechtlich bindender Vertrag. Ein individuelles Recht auf Migration lässt sich daraus nicht ableiten. Die Bundesregierung erhofft sich allerdings, dass der UN-Pakt auch Staaten, die sich bislang nicht um die Rechte von Migranten scheren, dazu bringen wird, ihre nationale Gesetzgebung zu ändern. Dadurch könnte langfristig der Migrationsdruck in Richtung Westeuropa abnehmen. Eine Garantie gibt es dafür aber nicht.
Außerdem soll die Ausstellung von Pässen und Identitätsnachweisen in Entwicklungsländern professioneller werden. Das hilft vor allem dann bei Abschiebungen, wenn auch biometrische Daten vorliegen. Wie effektiv die Maßnahmen gegen Schlepperbanden sind, die der Pakt vorsieht, muss sich noch zeigen. Die Staaten, die dem Migrationspakt beitreten, wollen »die Kapazitäten und die internationale Zusammenarbeit zur Prävention, Untersuchung, strafrechtlichen Verfolgung und Bestrafung der Schleusung von Migranten verstärken, mit dem Ziel, der Straflosigkeit der Schleusernetzwerke ein Ende zu bereiten«.
Wie profitieren Migranten von dem Pakt?
Sie sollen besser vor Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung geschützt werden. Das gilt etwa für Erntehelfer aus Nordafrika, die in Südspanien Tomaten und Früchte ernten. Und für verzweifelte Menschen aus Entwicklungsländern, die sich bei Arbeitsvermittlern hoch verschulden. Auch für Hausangestellte aus Südostasien, denen ihre Arbeitgeber in den arabischen Golfstaaten die Pässe abnehmen, ist der Pakt ein Dokument der Hoffnung. Allerdings: Wie die Einhaltung der Grundsätze, die in dem Dokument festgelegt sind, überprüft werden soll, steht noch nicht fest. Die Hoffnung von Menschenrechtsorganisationen ist aber, dass der Pakt trotzdem eine gewisse Dynamik in Gang setzen wird. So wie das Pariser Klimaschutz-Abkommen.
Geht es in dem Pakt auch um Flüchtlinge?
Nein. Parallel zum Migrationspakt haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen einen »Globalen Pakt für Flüchtlinge« erarbeitet, den der UN-Flüchtlingskommissar in seinen Jahresbericht an die Generalversammlung aufnehmen wird. Er soll sicherstellen, dass Flüchtlinge besseren Zugang zu Gesundheit und Bildung erhalten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Sanktionen sind aber auch hier nicht vorgesehen.
Warum wollen einige Länder nicht mitmachen?
Australien, die USA, Österreich, Israel und einige osteuropäische Staaten wollen dem Pakt am 10. Dezember in Marrakesch nicht beitreten. Sie begründen dies mit einem drohenden Verlust nationaler Souveränität. Axel Boysen von der auf Wirtschaftsmigrationsrecht spezialisierten Kanzlei Fragomen Global LLP kann das nicht nachvollziehen. Er sagt, der Pakt biete viel Spielraum. Eine auf Grenzsicherung fokussierte Migrationspolitik nach den Vorstellungen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán sei damit genauso machbar wie ein liberaler Kurs, der die wechselseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen in den Vordergrund stelle. Boysen glaubt, dass sich einige der Kritiker vielleicht an der Sprache stören, in der das Dokument abgefasst ist. Beispielsweise ist darin von »irregulärer Migration« die Rede, nicht von »illegaler Migration«. (dpa)