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Umweltgipfel Stockholm+50 endet - Aktivisten unzufrieden

50 Jahre nach der ersten UN-Konferenz zur Umwelt des Menschen wird auf einem erneuten Stockholmer Gipfel diskutiert, wie drängende Maßnahmen beschleunigt werden können. Klimaschützer halten wenig von der Konferenz - und gehen auf die Straße.

Protest in Stockholm
»People - not Profit«: Demonstrantinnen und Demonstranten ziehen bei einem Klimaprotest durch Stockholm. Foto: Steffen Trumpf
»People - not Profit«: Demonstrantinnen und Demonstranten ziehen bei einem Klimaprotest durch Stockholm.
Foto: Steffen Trumpf

Die Welt zu Gast bei Greta Thunberg: Tausende Demonstranten haben anlässlich eines internationalen Umweltgipfels in Stockholm mehr Tempo beim Klimaschutz gefordert.

Sie marschierten am Freitagnachmittag durch den Norden der schwedischen Hauptstadt, während sich die Konferenz Stockholm+50 wenige Kilometer entfernt in der Messe der schwedischen Hauptstadt dem Ende zuneigte. Der Abschluss des Gipfels verzögerte sich derweil bis in den Abend hinein.

Zwei Tage lang sprachen mehrere Tausend Vertreter von Regierungen, des Privatsektors und der Zivilgesellschaft auf der Konferenz darüber, wie das Tempo im Kampf gegen globale Probleme wie die Klimakrise, das Artensterben sowie die Verschmutzung und Vermüllung des Planeten beschleunigt werden kann. In der schwedischen Hauptstadt hatte 1972 auch die allererste UN-Konferenz stattgefunden, die sich mit der Umwelt des Menschen befasst hatte. Die damalige Konferenz gilt deshalb als Geburtsstunde der globalen Umweltpolitik.

Wie bereits am Donnerstag unterstrichen auch am zweiten Gipfeltag Dutzende Länder, dass seit der Stockholmer Konferenz vor 50 Jahren zum einen Vieles für den Umweltschutz getan worden sei. Zum anderen - so die fast einhellige Meinung - reiche das aber nicht aus, um die drängenden Probleme des Planeten in den Griff zu bekommen.

Eine Forderung, die sowohl auf dem Gipfel als auch auf der Straße nachhallte, war die nach dem Ende der Verwendung von Öl, Gas und Kohle. »Keep it in the ground!« (Lasst es im Boden), riefen die vor allem jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Protestmarsches unter anderem. Eine Initiative untermauerte ihre Forderung nach einem Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe. In einem Video anlässlich 100 Tage Ukraine-Krieg betonten Greta Thunberg und weitere Aktivisten, dass auf fossile Energien zu setzen bedeute, Autokraten wie Präsident Wladimir Putin mehr Macht zu verschaffen.

Neue Bekenntnisse und konkrete Beschlüsse gab es bei dem Gipfel nicht. Es sei von vornherein klar gewesen, dass keine völkerrechtlichen Beschlüsse gefasst werden sollten, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke der Deutschen Presse-Agentur. Noch in diesem Jahr stünden aber die Weltklima- und die Weltnaturkonferenz an, auf denen konkrete Vereinbarungen getroffen werden sollten.

Auf dem Weg dorthin habe das Treffen eine wichtige Funktion, sagte Lemke. »Beschlüsse fallen ja nicht vom Himmel. Das heißt, sie müssen gut und sorgfältig vorbereitet werden. Es muss vorher Diskussionen und einen breiten Austausch geben.« Dafür leiste die Konferenz etwa beim Thema Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag.

Klima- und Umweltschützer hätten sich viel stärkere und verbindliche Signale von der Konferenz gewünscht. »Wir blicken auf 50 Jahre der verpassten und teils boykottierten Chancen in der Klimapolitik und wissen: So kann es nicht weitergehen«, sagte die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer der dpa. »Es ist ein Gipfel der gemischten Gefühle. Das ist eine grundlegend merkwürdige Veranstaltung.«

Zum einen sehe man, dass Gipfel nicht ausreichten, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Zum anderen lege sie große Hoffnung darauf, dass ein Umdenken stattfinde, dass der Wandel von der Zivilgesellschaft kommen müsse. »Die Botschaft dieses Gipfels ist in meinen Augen, dass es zum Scheitern verurteilt ist, auf Regierungen zu warten. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen«, sagte sie.

Thunberg selbst hielt sich auf dem Großprotest in ihrer Heimatstadt im Hintergrund, um Mitstreiterinnen aus Weltregionen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, in denen die Klima- und Umweltkrise bereits heute stark spürbar ist. An der Spitze des Demonstrationszugs standen somit Aktivistinnen aus afrikanischen und weiteren Ländern des globalen Südens. Sie trugen ein großes Banner mit der Aufschrift »People Not Profit«, mit dem sie darauf pochten, dass das Wohl der Menschen wichtiger sei als Gewinne von Konzernen.

Parallel zum Protest wurde auf dem Messegelände die zweite sogenannte EAT-Lancet-Kommission ins Leben gerufen. Sie bringt 25 führende Wissenschaftler zusammen, die globale Ziele für gesunde Ernährung und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion überprüfen sollen. »In wissenschaftlicher Hinsicht wissen wir heute, dass es keine sichere Landung in der Klimakrise gibt, wenn wir nicht die Lebensmittelkrise lösen«, erklärte der an der Kommission beteiligte Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Johan Rockström.

© dpa-infocom, dpa:220603-99-541284/2