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Truss-Nachfolge: Viel Rückhalt für Ex-Minister Sunak

Im Rekordtempo wollen sich die Tories auf einen neuen britsichen Premier einigen. Als Favorit gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Doch ein gefährlicher Rivale hat am Samstag Kurs auf London genommen.

Tory-Politiker
Rishi Sunak war im Sommer noch Liz Truss im Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson unterlegen. Foto: Kirsty Wigglesworth
Rishi Sunak war im Sommer noch Liz Truss im Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson unterlegen.
Foto: Kirsty Wigglesworth

Im Rennen um die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss kristallisiert sich in der Tory-Fraktion ein Favorit heraus. Ex-Finanzminister Rishi Sunak ist nach Zählung britischer Medien der erste mögliche Kandidat, der die notwendige Zahl an Unterstützern unter den konservativen Abgeordneten hinter sich vereinigen kann. Um ins Rennen für den Spitzenjob zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Parlamentariern. Noch bis Montagnachmittag können Nominierungen eingehen.

»Es sind schwierige Zeiten und wir brauchen eine Führung, die der Aufgabe gewachsen ist, deshalb unterstütze ich Rishi«, sagte der frühere Vize-Premier Dominic Raab. Sunak habe einen klaren Plan, wieder finanzielle Stabilität in Großbritannien einkehren zu lassen und nach dem Chaos an den Finanzmärkten das Vertrauen in die britische Wirtschaft zurückzugewinnen.

Sunak wird von vielen zugute gehalten, dass er vor genau jenem Chaos, das Truss mit ihrer Wirtschaftspolitik an den Finanzmärkten ausgelöst hat, im Wahlkampf gegen sie vor wenigen Wochen wiederholt gewarnt hat. Sunak war bereits bei seiner Kandidatur für die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson der Favorit der Fraktion im Unterhaus, scheiterte aber gegen Truss bei der Abstimmung in der Parteibasis.

Johnson kehrt aus Urlaub nach London zurück

Truss war am Donnerstag als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit jemals zurückgetreten, nachdem sich ihre Wirtschaftspolitik als unhaltbar erwiesen und sie zwei wichtige Kabinettskollegen verloren hatte. Die Partei hat ein Schnellverfahren angekündigt, so dass spätestens am kommenden Freitag feststehen soll, wer künftig an der Spitze der britischen Regierung stehen wird.

Als gefährlichster Rivale für Sunak gilt der skandalgeplagte Boris Johnson, der erst vor wenigen Wochen aus dem Amt ausgeschieden war. Johnson kehrte am Samstag mit seiner Familie aus einem verkürzten Karibikurlaub nach London zurück und soll Verbündeten zufolge in den Startlöchern für eine Kandidatur stehen. Ein Statement von ihm selbst wurde am Wochenende mit Spannung erwartet. Am Samstagnachmittag ließ eine Johnson nahe stehende Quelle verlauten, dieser habe die notwendigen 100 Unterstützer zusammen. Öffentlich hatten sich bis dahin jedoch erst deutlich weniger zu ihm bekannt.

Zu den öffentlichten Unterstützern des Projekts »Bring Back Boris« gehören einige Kabinettsmitglieder wie der Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg. Nur Johnson könne als begnadeter Wahlkämpfer die konservative Partei aus dem Sumpf katastrophaler Umfragewerte befreien, so ihr Kalkül.

Allerdings hängen die zahlreichen Skandale Johnson nach - und könnten sogar für sein politisches k.o. sorgen: Derzeit läuft noch eine Untersuchung, ob Johnson in der »Partygate«-Affäre das Parlament belogen hat. Kommt der zuständige Ausschuss zu dem Schluss, dass dies der Fall war, könnte Johnson sogar sein Mandat als Abgeordneter verlieren. Selbst alte Verbündete wie der »Telegraph«-Redakteur Charles Moore schrieb in einem Kommentar, nun sei »nicht die Zeit für Boris«. Es sei zu früh für ein Comeback. Nun müsse erst einmal Rishi Sunak für Ordnung sorgen. Auch Ex-Brexit-Minister und frühere Johnson-Vertraute David Frost schloss sich dem Sunak-Lager an.

Der Fernsehmoderator Andrew Neil schrieb in der »Daily Mail«, es sei Zeit, dass die Tories die Interessen des Landes vor jene ihrer Partei stellten. »Inzwischen zeigt die Idee, dass Johnson von einigen Tories als ernsthafte Alternative angesehen wird, nur, wie sehr große Teile der Partei ihre Sinne verloren haben.«

Die Opposition will Neuwahlen

Als Dritte im Rennen ist die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt (49), die bereits am Freitag ihre Kandidatur offiziell machte. Den Zählungen britischer Medien zufolge liegt Mordaunt aber hinsichtlich ihrer öffentlichen Unterstützer bislang weit abgeschlagen hinter Sunak und Johnson.

Erhalten mehr als zwei Kandidaten die nötigen Unterstützungen von 100 Abgeordneten, soll bei Abstimmungen in der Fraktion der Kreis verkleinert werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann die Parteibasis im Laufe der Woche in einem Online-Votum abstimmen. Andernfalls könnte die Entscheidung auch schon früher fallen.

Die Opposition fordert unterdessen vehement eine sofortige Neuwahl, doch die regierende Tory-Partei sitzt am längeren Hebel und kann den Zeitpunkt für die nächste Wahl - bis spätestens Anfang 2025 - relativ frei bestimmen. Daher gilt eine Neuwahl vorerst als unwahrscheinlich.

BBC-Liveblog

Kommentar in der »Daily Mail«

Kommentar im »Telegraph«

© dpa-infocom, dpa:221022-99-219837/4