WASHINGTON. Nach einer wochenlangen Hängepartie kann in den USA der Übergang zwischen der Regierung von Amtsinhaber Donald Trump und dem gewählten US-Präsidenten Joe Biden beginnen.
Trump erklärte auf Twitter, er habe die Behörden und seine Mitarbeiter angewiesen, mit Biden zu kooperieren. Kurz zuvor hatte die zuständige Behörde GSA Biden als offenkundigen Wahlsieger eingestuft und zugleich erklärt, diese Entscheidung unabhängig getroffen zu haben. Sie machte den Weg dafür frei, dass das Team des Demokraten schon vor der Amtseinführung im Januar Zugang zu Ministerien, Behörden und vertraulichen Informationen der Regierung sowie Millionen Dollar für Gehälter und andere Ausgaben bekommt.
Trump weigert sich weiterhin, seine Niederlage bei der Wahl am 3. November einzuräumen. Er behauptet, der Sieg sei ihm durch massiven Wahlbetrug gestohlen worden. Mehr als 30 Klagen seiner Anwälte wurden von Gerichten bereits abgewiesen. Trump machte deutlich, dass er weiterkämpfen wolle, und gab sich abermals siegessicher. Er habe der GSA und seinem Team dennoch »im besten Interesse des Landes« empfohlen, dass sie »tun, was getan werden muss«.
Biden hatte vor dem offiziellen Startschuss für den Übergangsprozess bekanntgegeben, mit wem er Schlüsselpositionen in seiner künftigen Regierung besetzen will. Als Außenminister nominierte er seinen langjährigen Berater Antony Blinken. Das Heimatschutzministerium soll der Exil-Kubaner Alejandro Mayorkas führen. Der frühere Außenminister John Kerry soll Sonderbeauftragter für das Klima im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses werden. Übereinstimmenden Medienberichten will Biden zudem Ex-Notenbankchefin Janet Yellen an die Spitze des Finanzministeriums setzen - als erste Frau überhaupt.
Bidens Team verknüpfte die Personalien mit einem Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit in Krisenzeiten. »Historische Herausforderungen erfordern historische, neue Ansätze«, erklärte Kerry in einem Video. Die neue US-Regierung werde die Welt zusammenbringen, um den Herausforderungen zu begegnen, die keine Nation alleine bewältigen könne.
Seit Biden am 7. November von US-Medien zum Sieger der Präsidentenwahl ausgerufen wurde, demonstriert er Tatendrang, doch wegen Trumps Blockadehaltung waren ihm weitgehend die Hände gebunden. In den USA beginnen normalerweise gleich nach der Wahl eines neuen Präsidenten die gut zweimonatigen Vorbereitungen für den Machtwechsel.
Dabei ist jeder Tag kostbar: Die Machtfülle des US-Präsidenten ist beispiellos, er muss vom ersten Tag an voll einsatzbereit sein, gerade in Fragen der nationalen Sicherheit. Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte hat er die Verantwortung für gut 1,3 Millionen Soldaten und verfügt über die Codes, um im Notfall den Einsatz von Atomwaffen zu genehmigen. Der Präsident ist mit seiner Regierung für einen Haushalt in Höhe von fast fünf Billionen US-Dollar (4,2 Billionen Euro) verantwortlich.
In der Übergangszeit muss der Präsident nicht nur sein Kabinett zusammenstellen, sondern auch Tausende Posten im Weißen Haus, in Ministerien und in Behörden schnell neu besetzen. Rund 1200 Personalien müssen dabei vom Senat abgesegnet werden.
Bidens Übergangsteam bekommt nun Zugriff auf mehr als sechs Millionen Dollar aus der Staatskasse. Zudem dürfen seine Mitarbeiter jetzt offiziell mit Regierungsbeamten kommunizieren, was ihnen bisher verwehrt war und zur regen Nutzung informeller Kanäle führte.
Biden hatte Trumps Blockadehaltung als »völlig unverantwortlich« verurteilt und gewarnt, dass sie unter anderem die Eindämmung des Coronavirus verzögern und zu einer noch größeren Opferzahl führen könnte. Seit Beginn der Pandemie sind bereits mehr als eine Viertelmillion Menschen gestorben - gemessen an den absoluten Zahlen sind das mehr als in jedem anderen Land der Welt.
Bidens Team begrüßte das Ende der Blockade am Montag als »notwendigen Schritt, um mit der Bewältigung der Herausforderungen zu beginnen, denen unser Land gegenübersteht«. Bei Treffen mit aktuellen Regierungsbeamten werde man in den kommenden Tagen Maßnahmen in der Corona-Krise erörtern und einen Einblick in Fragen der nationalen Sicherheit bekommen.
Die geordnete Übergabe der Amtsgeschäfte (»transition«) nach einer Präsidentenwahl ist seit fast 60 Jahren im Gesetz verankert. Damit wollte der Kongress sicherstellen, dass sich Amerikaner immer darauf verlassen können, eine funktionierende Regierung zu haben. »Jegliche durch die Übergabe der Regierungsgeschäfte verursachte Unterbrechung könnte Ergebnisse zur Folge haben, die für die Sicherheit und das Wohlergehen der Vereinigten Staaten und der Bürger schädlich sind«, hieß es 1963 zur Begründung des Gesetzes.
Schon vor der Wahl hatte es Befürchtungen gegeben, dass Trump den Übergang zu einer neuen Regierung behindern könnte. Der 74-Jährige hatte weder zugesichert, dass er das Wahlergebnis akzeptieren würde, noch hatte er eine friedliche Machtübergabe garantieren wollen. Die »New York Times« berichtete, am Montag hätten ihm führende Mitarbeiter gesagt, dass die Übergabe beginnen müsse. Trump sei auch darauf hingewiesen worden, dass er nicht das Wort »aufgeben« in den Mund nehmen müsse.
Die ungewöhnlich lange Hängepartie nach der Wahl am 3. November ergab sich auch aus der Vielzahl an Briefwahlstimmen, die vor allem aufgrund der Pandemie abgegeben worden waren. Erst vier Tage später riefen US-Medien - wie in den Vereinigten Staaten üblich - auf Grundlage eigener Erhebungen und gezählter Stimmen Biden zum Sieger aus. Eine Abwahl nach nur einer Amtszeit hatte es zuletzt 1992 bei George Bush senior gegeben.
Der US-Präsident wird nur indirekt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das den Präsidenten dann im Dezember wählt. Für einen Sieg braucht ein Kandidat die Mehrheit der 538 Wahlleute - Biden brachte 306 Wahlleute hinter sich. Seine Amtseinführung ist für den 20. Januar geplant.
Die Bundesstaaten bestätigen derzeit nach und nach die Wahlergebnisse amtlich. Nachdem der wichtige Staat Michigan am Montag den dortigen Sieg von Biden offiziell bestätigte, übermittelte Emily Murphy, die Chefin der Verwaltungsbehörde GSA (General Service Administration), das entscheidende Schreiben an Biden, das der Nachrichtensender CNN veröffentlichte. Der Druck auf Murphy, die von Trump ernannt worden war, war zuletzt erheblich gestiegen. In dem Schreiben, bei dem es sich in normalen Wahljahren um eine Formalie handelt, wehrte sie sich gegen den Vorwurf, Biden aus »Angst oder Vetternwirtschaft« nicht früher als offensichtlichen Wahlsieger benannt zu haben. (dpa)