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Trotz drohender Corona-Zuspitzung: Trump dringt auf Öffnung

In den USA werden vielerorts Corona-Beschränkungen gelockert. Doch die Pandemie könnte sich dort noch verschlimmern. Wird wegen des wirtschaftlichen Drucks zu schnell wieder geöffnet?

Donald Trump
»Wir müssen unser Land öffnen«, sagte Trump vor seinem Abflug nach Arizona. Foto: Patrick Semansky/AP/dpa
»Wir müssen unser Land öffnen«, sagte Trump vor seinem Abflug nach Arizona. Foto: Patrick Semansky/AP/dpa

WASHINGTON. Trotz einer drohenden Zuspitzung der Corona-Pandemie in den USA dringt US-Präsident Donald Trump wie Gouverneure einiger Bundesstaaten auf eine rasche Wiedereröffnung der Wirtschaft.

»Wir müssen unser Land öffnen«, sagte Trump am Dienstag vor dem Weißen Haus vor seinem Abflug nach Arizona. »Es ist Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.« Zuvor hatte Trump auf Twitter geschrieben, dass es »aufregend« sei zu sehen, wie sich das Land wieder öffne. Dabei hat sich die Prognose für den Verlauf der Corona-Pandemie in den USA gerade wieder eingetrübt: Zwei Modelle gehen davon aus, dass die Zahl der Coronavirus-Infektionen und Todesfälle diesen Monat deutlich ansteigt.

BUNDESSTAATEN LOCKERN BESCHRÄNKUNGEN

In Bundesstaaten wie Florida, Utah, South Carolina und Texas öffneten viele Restaurants und Geschäfte wieder unter bestimmten Auflagen. Die Schließungen seit März haben in den USA zu einem Konjunktureinbruch und hoher Arbeitslosigkeit geführt. Auch der von Trumps Republikanern kontrollierte Senat trat in Washington wieder zusammen.

TRUMP GEHT AUF REISEN

Für Trump stand am Dienstag ein Besuch einer Fabrik im US-Bundesstaat Arizona an, in der Atemschutzmasken hergestellt werden. Seit Mitte März hat er das Weiße Haus wegen der Pandemie kaum mehr verlassen. Trump kündigte an, in der Fabrik eine Schutzmaske zu tragen. Sein Vize Mike Pence hatte vergangene Woche Kritik auf sich gezogen, weil er bei einem Klinikbesuch auf eine Atemschutzmaske verzichtete - er bedauerte das danach. Die Gesundheitsbehörde CDC empfiehlt, dass auch Menschen ohne Symptome in der Öffentlichkeit Masken tragen sollten.

»TRUMP-HASSER« IM REPRÄSENTANTENHAUS

Bei seiner Abreise holte Trump gegen die Demokraten aus. »Das Repräsentantenhaus ist ein Haufen Trump-Hasser«, sagte der Republikaner und bestätigte, dass er seinen prominenten Berater Anthony Fauci deswegen nicht in dem von den Demokraten kontrollierten Repräsentantenhaus zur Corona-Krise aussagen lassen werde. Die Demokraten beabsichtigten, dass seine Regierung an der Corona-Krise scheitere, damit sie die Wahl im November gewinnen, was ihnen nicht gelingen werde, sagte Trump. Der Immunologe Fauci soll aber im republikanisch dominierten Senat aussagen, wie Trump ankündigte. Aus den Reihen der Demokraten wurde bereits der Vorwurf laut, dass das Weiße Haus Parteipolitik über Fragen der öffentlichen Gesundheit stelle.

DEUTLICH MEHR TOTE BEFÜRCHTET

Das Institut IHME der Universität Washington in Seattle geht mittlerweile davon aus, dass die Zahl der Toten in den USA von aktuell rund 69.000 bis Ende des Monats auf rund 110.000 Tote ansteigen könnte. Erst ab Ende Juli soll sich die Opferzahl demnach bei rund 134.000 stabilisieren, wie aus dem am Montag aktualisierten Modell hervorgeht. Noch vor wenigen Wochen war die Universität davon ausgegangen, dass im Hochsommer bei etwa 90.000 Toten ein Plateau erreicht würde. Professor Chris Murray erklärte im Sender NBC die veränderte Prognose mit Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen in einigen Staaten und damit, dass Menschen zuletzt öfter rausgegangen seien und sich weniger an die soziale Distanz gehalten hätten. Trumps Regierung hat das IHME-Modell mehrfach für ihre eigenen Prognosen herangezogen.

Trump sagte am Dienstag, die aktualisierte IHME-Prognose basiere auf der Annahme, dass nichts mehr für die Eindämmung der Ausbreitung des Virus getan werde. Dies sei nicht der Fall. Die Menschen müssten aber wieder zur Arbeit gehen können, andernfalls würde es auch Tote geben, sagte Trump. »Es gibt keinen großen Gewinn auf die eine oder andere Weise.« Trump bemängelte zudem: »Modelle sind sehr ungenau gewesen.«

INTERNES REGIERUNGSDOKUMENT MIT DÜSTERER PROGNOSE

Die »New York Times« veröffentlichte am Montag ein internes Behördendokument, in dem ein dramatischer Anstieg der bekannten Infektionen befürchtet wird. In der vom Gesundheitsministerium und der Katastrophenschutzbehörde Fema zusammengestellten Präsentation geht aus einem Diagramm hervor, dass die Zahl der neuen Infektionen bis Juni auf rund 200.000 pro Tag steigen könnte. Die Experten der Regierung erwarten nach einem weiteren Diagramm, dass die Zahl der Todesfälle infolge einer Covid-19-Erkrankung bis zum 1. Juni auf etwa 3000 pro Tag steigen könnte. Das Weiße Haus wies die Prognosen zurück.

EXPERTEN WARNEN VOR SCHNELLER ÖFFNUNG

Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in den USA war zuletzt relativ konstant bei rund 30.000 geblieben, weswegen Experten vor einer übereilten Lockerung der Corona-Beschränkungen in machen Landesteilen warnten. »Falls es keinen starken saisonalen Effekt gibt und der Sommer die Verbreitung des Virus nicht stärker verlangsamt als erwartet, sollten wir mit einer Zunahme der Fallzahlen rechnen«, schrieb etwa der frühere CDC-Chef Scott Gottlieb auf Twitter.

Aktuelle CDC-Zahlen

Präsentation bei der New York Times

Bericht in der New York Times

IHME-Modell, Englisch

Tweet Gottliebs, Englisch

Tweet Trump