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Tote nach Brand in Gefängnis in Teheran - Weitere Proteste

Im Norden der iranischen Hauptstadt Teheran eskaliert ein Konflikt in einem berüchtigten Gefängnis, es gibt Tote. Die Hintergründe sind völlig unklar. Aus Deutschland gibt es Solidaritätsbekundungen.

Ewin-Gefängnis
Durch das Feuer zerstörte Werkstatt im Ewin-Gefängnis. Foto: Koosha Mahshid Falahi
Durch das Feuer zerstörte Werkstatt im Ewin-Gefängnis.
Foto: Koosha Mahshid Falahi

Im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran ist bei einem Konflikt zwischen Inhaftierten und dem Sicherheitspersonal ein Feuer ausgebrochen. Mindestens vier Gefangene seien ums Leben gekommen und Dutzende weitere Inhaftierte zudem verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna am Sonntag. Augenzeugen berichteten, dass am Samstagabend zunächst laute Explosionen und auch Schüsse in der Haftanstalt zu hören waren. Demnach soll das Feuer bis Mitternacht gebrannt haben, bis in den frühen Morgen stieg Rauch auf.

Laut der Denkfabrik Institute for the Study of War kam es zudem in mindestens 22 Städten in 16 Provinzen im Iran erneut zu Protesten. Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini - der Auslöser der Proteste - ist am Sonntag genau einen Monat her. Sie starb am 16. September nach der Festnahme durch die Sittenpolizei in einem Krankenhaus.

Gefängnis vor allem für politische Gefangene

Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter von insbesondere politischen Gefangenen. Auch Demonstranten sind dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert, ebenso Doppelstaatler, die neben der iranischen auch eine weitere Staatsbürgerschaft haben. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung im Mai 2018 wegen »ernster Menschenrechtsverletzungen« mit Sanktionen belegt.

Was genau in Teherans berüchtigter Haftanstalt geschah, lässt sich nicht unabhängig verifizieren, ebenso tausendfach geteilte Videos in den sozialen Medien, die chaotische Bilder rund um die Anstalt zeigten.

Regierung spricht von »Hooligans und Randalierern«

Die staatliche Agentur Irna berichtete am Samstagabend zunächst von einer Auseinandersetzung zwischen »Hooligans und Randalierern« mit den Gefängniswärtern. Das Textillager der Anstalt sei in Brand gesteckt worden, hieß es weiter. Die Lage sei jedoch nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle gebracht worden. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht.

Doch der Auslöser für die Geschehnisse in der Nacht blieb zunächst offen. Teherans Staatsanwalt bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen im Land ausgebreitet haben. Nach seiner Darstellung handelte es sich um einen internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben.

Kritiker im Ausland warnten vor einem Blutbad in dem Gefängnis. »Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos«, sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI) laut einer Mitteilung. »Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden.«

Angehörige weinen vor der Haftanstalt

Augenzeugen berichteten, Angehörige der Gefangenen, die zu dem Ort des Geschehens geeilt waren, hätten vor der Haftanstalt geweint und Informationen über ihre Familienangehörigen gefordert.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, die deutsche Botschaft sei wegen des Brands in ununterbrochenem Kontakt mit den Behörden. Das Feuer möge gelöscht sein, »unsere Aufmerksamkeit für die Menschen, die dort festgehalten werden, und ihre Menschenrechte darf und wird nicht aufhören«, schrieb sie auf Twitter. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich zutiefst besorgt. »Wir erwarten maximale Transparenz über die Situation«, schrieb der Spanier am Sonntag ebenfalls bei Twitter. Borrell teilte weiter mit, er habe dem iranischen Außenminister Hussein Amirabdollahian angesichts der Situation seine »schwerwiegendsten Sorgen« übermittelt.

Proteste rund um das Gefängnis

Rund um das Gefängnis kam es auch in der Nacht zu Staus und systemkritischen Protesten, bei denen immer wieder Slogans wie »Tod dem Diktator« zu hören waren. Polizei und Sicherheitskräfte riegelten das Gebiet ab und setzten Tränengas ein. Hupkonzerte wurden in der Gegend vernommen, wie die reformorientierte iranische Tageszeitung »Shargh« berichtete. Das dauerhafte Hupen ist dabei ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen, die landesweit demonstrieren. Auch in deutschen Städten gingen Hunderte Menschen auf die Straße: In Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main kam es wegen des Brands zu Solidaritätsbekundungen mit den politisch Inhaftierten im Iran.

Die USA äußerten sich besorgt über die dramatische Lage. »Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit«, schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Samstag (Ortszeit) auf Twitter. »Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten.« Der Iran verurteilte die Reaktion als Einmischung in innere Angelegenheiten und Unterstützung der landesweiten Proteste.

© dpa-infocom, dpa:221015-99-140781/17