In Österreich verlässt eine der prägendsten Figuren der Konservativen überraschend die politische Bühne. Tirols Ministerpräsident Günther Platter (ÖVP) will sich nach 14 Jahren im Amt und 36 Jahren in der Politik zurückziehen.
»Es ist einmal genug«, sagte der 68-Jährige in Innsbruck. Als Nachfolger schlug Platter den Tiroler Wirtschaftsminister Anton Mattle (ÖVP) vor. Mattle solle die Partei auch in die Landtagswahl führen, die voraussichtlich von 2023 auf den Herbst 2022 vorgezogen wird.
Aktuell regiert die ÖVP in Tirol - genauso wie im Bund - mit den Grünen. Mit Platter verliert die ÖVP innerhalb weniger Tage erneut einen populären Spitzenpolitiker. Anfang Juni war der Ministerpräsident der Steiermark, der 70-jährige Hermann Schützenhöfer, aus Altersgründen zurückgetreten.
Der ÖVP droht ein zweistelliger Absturz
Der Schritt erfolgte ohne Vorwarnung. Als einen wichtigen Grund für seinen Rückzug nannte Platter die Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise. »Es ist ein bewegender Tag, aber es ist auch ein Tag der Erleichterung.« Die ÖVP ist in Tirol wie im Bund in einem Umfrage-Tief. Während Platter bei seiner letzten Wahl auf fast 45 Prozent der Stimmen kam, droht nun ein zweistelliger Absturz. »Diese Niederlage wollte sich Platter nicht mehr abholen«, sagte Politikberater Thomas Hofer der Deutschen Presse-Agentur.
International im Rampenlicht stand der Landeschef vor allem zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020, als das Krisen-Management im Tiroler Skiort Ischgl massiv kritisiert wurde. Nach Bekanntwerden erster Infektionen hatten Tausende Touristen die Gemeinde fluchtartig verlassen und somit das Virus verbreitet. Die Verantwortung für das Ausreise-Chaos sah Platter aber eher beim Bund als beim Land. Er werde den 13. März 2020 nie vergessen, als er angesichts der dramatischen Entwicklung erklärt habe, »die Wintersaison ist beendet.«
Finanzen der Partei im Visier
Der Rückzug von Platter ist ein weiteres Zeichen, dass die ÖVP nicht zur Ruhe kommt. Neben schwachen Umfragewerten und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter anderem gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz sind nun erneut die Finanzen der Partei im Visier. Der Rechnungshof lässt in einem ungewöhnlichen Schritt die Wahlkampfausgaben der ÖVP von 2019 von Wirtschaftsprüfern durchleuchten. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die ÖVP tatsächlich nur die von ihr angegebenen 5,6 Millionen Euro für die Wahlen zum Nationalrat ausgegeben habe, hieß es vergangene Woche. Der Bericht des Rechnungshofs hat die mitregierenden Grünen alarmiert, die den Vorgang als »verheerend« bezeichneten. Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer, zur fraglichen Zeit ÖVP-Generalsekretär, erklärte, die Partei habe nichts zu verbergen.
Platter verneinte, dass sein Schritt etwas mit der Stimmung auf Bundesebene zu tun habe. Die Turbulenzen kommen zu einer kritischen Zeit. Nach Tirol stehen 2023 auch Landtagswahlen in Salzburg, Niederösterreich und Kärnten an. Angesichts der anhaltenden Korruptionsvorwürfe, der durch den Ukraine-Krieg befeuerten hohen Inflation und der Pandemie-Folgen entstehe eine »hochtoxische Geschichte«, sagt Hofer. »Die Einschläge im System ÖVP kommen näher.«
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