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Tausende Teilnehmer zu Demonstrationen in Chemnitz erwartet

Wieder Demonstrationen in Chemnitz. Nach dem gewaltsamen Tod eines Deutschen sind neue Auseinandersetzungen nicht auszuschließen. Die Polizei will mit einem Großaufgebot dagegenhalten.

Polizeibeamte
Polizeibeamte bei einer Besprechung vor dem Stadion Chemnitz. Foto: Ralf Hirschberger
Polizeibeamte bei einer Besprechung vor dem Stadion Chemnitz. Foto: Ralf Hirschberger

Chemnitz (dpa) - In Chemnitz wappnet sich die Polizei für mögliche neue Auseinandersetzungen. Heute werden Tausende Menschen zu Demonstrationen erwartet. Die Polizei geht von einer Teilnehmerzahl im unteren fünfstelligen Bereich aus.

Vor knapp einer Woche war ein 35-jähriger Deutscher bei einer Messerattacke in Chemnitz getötet worden, zwei weitere wurden verletzt. Als Tatverdächtige sitzen ein Iraker und ein Syrer in Untersuchungshaft.

Dem Verwaltungsgericht Chemnitz zufolge hätte der Iraker im Mai 2016 nach Bulgarien abgeschoben werden können. Dies sei aber nicht vollzogen worden, weshalb die Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen sei. Auch soll er einem Medienbericht zufolge gefälschte Personaldokumente besessen haben.

Die Tat war Anlass für Demonstrationen, aus denen heraus es zu ausländerfeindlichen Attacken kam. Auch der Hitlergruß wurde gezeigt.

Ein Bündnis aus rund 70 Vereinen, Organisationen und Parteien hat zu Demonstrationen unter dem Motto »Herz statt Hetze« aufgerufen. Mehrere Politiker wie die Parteichefin der Grünen, Annalena Baerbock, haben sich angesagt. Am Nachmittag sind Kundgebungen der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz sowie ein Trauermarsch der AfD und des fremden- und islamfeindlichen Bündnisses Pegida geplant. Dazu wird auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke erwartet.

In der Nacht auf Samstag blieb es nach Angaben der Polizei ruhig in der sächsischen Stadt. Wegen der Sicherung der Demonstrationen in Chemnitz hatte die sächsische Polizei zuvor für eine Verlegung des Zweitliga-Spiels von Dynamo Dresden gegen den Hamburger SV gesorgt.

Außenminister Heiko Maas rief vor den erneuten Demonstrationen und anlässlich des 79. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges zu einem entschlossenen Eintreten für Demokratie auf. »Vor 79 Jahren begann der 2. Weltkrieg. Deutschland brachte unvorstellbares Leid über Europa«, schrieb der SPD-Politiker bei Twitter. »Wenn heute wieder Menschen mit Hitlergruß durch die Straßen ziehen, bleibt unsere Geschichte Mahnung und Auftrag, entschlossen für Demokratie einzutreten. #Chemnitz #herzstatthetze #C0109«

Bundesjustizministerin Katarina Barley warnte vor einer sich verschärfenden Missachtung des Rechtsstaates in Deutschland. »Für die Errungenschaften unseres Rechtsstaates, gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte, dafür müssen wir alle einstehen«, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Mit Blick auf die Ereignisse in Chemnitz mahnte sie die sächsischen Behörden, dass es Konsequenzen für alle Täter geben müsse.

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hält Ausschreitungen wie in Chemnitz auch in anderen Städten für möglich. Zu den Ausschreitungen seien Rechtsextreme aus ganz Deutschland angereist, sagte sie der dpa. Die Rechten seien extrem gut vernetzt. Solche Proteste seien in jeder Stadt denkbar, in der es ähnlich brutale Vorfälle gebe.

Der AfD-Co-Vorsitzende Alexander Gauland mahnte eine Aufklärung der Messerattacke an und verurteilte das Zeigen des Hitlergrußes bei den bisherigen Demonstrationen. Im »Interview der Woche« des Deutschlandfunks prangerte er an, dass sich Hooligans und Rechtsradikale auf eine Demonstration oder eine Versammlung besorgter Chemnitzer Bürger gesetzt und auch missbraucht hätten. Das wichtigere Thema sei » der Tod eines Unschuldigen durch zwei Menschen, die nicht hier sein dürften und die nicht hier wären, hätte es Frau Merkels Flüchtlingspolitik nicht gegeben«.

Justizministerin Barley hatte zuvor dem Südwestrundfunk gesagt: Wer auf einer Demo unterwegs sei, »wo die Leute rechtsradikale Sprüche brüllen, Menschen angreifen und den Hitlergruß zeigen, der kann sich nicht mehr verstecken und sagen: «Ich bin ja nur ein besorgter Bürger». Dann ist man Teil eines rechtsradikalen Mobs.«

Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Chemnitz wurde zuletzt der Ruf lauter, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Bundesinnenminister Horst Seehofer reagierte zurückhaltend: »Derzeit liegen die Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei als Ganzes für mich nicht vor«, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Eine Mehrheit der Deutschen ist jedoch dafür. In einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Onlineportale der Funke Mediengruppe sagten mehr als 57 Prozent der Befragten, die Partei solle »auf jeden Fall« (42,7 Prozent) oder »eher ja« (14,5 Prozent) vom Bundesverfassungsschutz beleuchtet werden. Dagegen meinten knapp 36 Prozent der Befragten, eine Überwachung sei »auf keinen Fall« (23,7 Prozent) oder eher nicht erforderlich. Rund 7 Prozent waren unentschieden.