Im Streit um die Einführung des Bürgergelds hat die CDU mit einer Blockade des zustimmungspflichtigen Gesetzes im Bundesrat gedroht. Den Plänen in der bisherigen Form werde man nicht zustimmen können, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja dem »Tagesspiegel« (Sonntag). »Ich gehe davon aus, dass wir darüber im Vermittlungsausschuss werden sprechen müssen«, sagte Czaja. Vertreter der Ampel-Parteien riefen die CDU dazu auf, das Vorhaben nicht zu blockieren.
Der Vermittlungsausschuss ist ein Gremium von Bundestag und Bundesrat, das einen Konsens finden soll, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze in der Länderkammer keine Mehrheit finden.
Im laufenden Gesetzgebungsverfahren gibt es seit längerem Streit. Deshalb ist offen, ob die Ampel die Reform wie geplant durchbringen kann. Sie ist im Bundesrat auf Stimmen aus dem Lager der Unionsländer angewiesen. Eine Blockade könnte sich auch auf den ohnehin engen Zeitplan auswirken.
Audretsch: Bürgergeld ist Frage des sozialen Friedens
Sich gegen das Bürgergeld zu stellen, wäre in Zeiten der hohen Preise und des Fachkräftemangels »ein schwerer Fehler und würde vielen Menschen und Unternehmen schaden«, warnte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Audretsch. »Ältere Menschen, Alleinerziehende oder Kinder brauchen angesichts der Inflation und hoher Energiepreise dringend bessere Unterstützung durch das Bürgergeld. Das ist eine Frage des sozialen Friedens in Deutschland.« Viele Unternehmen bräuchten gut ausgebildete und motivierte Arbeitskräfte. »Genau darauf setzt das Bürgergeld.«
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, mahnte »konstruktive Gespräche« aller Beteiligten an, damit das Bürgergeld wie geplant am 1. Januar starten könne. »Das Bürgergeld ist eine der größten Weiterbildungsoffensiven, die dieses Land gesehen hat«, sagte Mast der »Rheinischen Post« (Montag).
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich irritiert von der Drohung der Union. »Die unionsgeführten Länder sollten ihrer Verantwortung gerecht werden, anstatt auf Parteipolitik zu setzen«, sagte er ebenfalls der »Rheinischen Post« (Montag). »Verantwortliche Politik der größten Opposition sollte anders aussehen.«
Bürgergeld als Ablöse für Hartz IV
Das Bürgergeld soll die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel der Ampel-Koalition ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und die Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen um rund 50 Euro pro Monat steigen.
Aus Sicht von Czaja setzt der bisherige Entwurf die falschen Anreize - etwa durch den höheren Vermögensfreibetrag. »Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der arbeiten kann und es nicht tut«, sagte Czaja im »Tagesspiegel«. Die Union wirft der Ampel auch vor, künftig darauf verzichten, Langzeitarbeitslose zu einer ernsthaften Jobsuche anzuhalten.
Der Sozialverband Deutschland kritisierte, es sei »unanständig«, Geringverdienende und Leistungsbeziehende »gegeneinander auszuspielen«. »In der Krise brauchen alle, die wenig haben, Unterstützung. Denn viele werden unerwartet ihre Arbeit verlieren«, sagte die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Warnung vor Überforderung der Jobcenter
Der Deutsche Landkreistag warnte vor einer Überforderung der Jobcenter durch die Einführung des Bürgergelds. »Die Jobcenter sind bereits durch die aktuellen Krisen extrem belastet«, sagte Präsident Reinhard Sager der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Montag). »Einfach nur neue Anforderungen an die Jobcenter zu beschließen, ohne sich näher um deren Kapazitäten und Abläufe zu kümmern, das wird nicht funktionieren.« Die Jobcenter bräuchten zudem zusätzliche Mittel, da ihre Aufgaben mit dem Bürgergeld erneut ausgeweitet würden.
Der Bundesrat hatte die Ampel-Regierung nach Beratungen am Freitag zu Nachbesserungen aufgefordert. Einigen Ländern, wie etwa Bremen und Berlin, gehen die im Entwurf vorgesehenen Hilfen nicht weit genug. Der Bundestag will sich am 10. November in zweiter und dritter Lesung mit dem Gesetz befassen. Danach ist der Bundesrat wieder am Zug.
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