Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beobachtet die Entwicklung rund um die ukrainischen Atomkraftwerke nach eigenen Angaben weiterhin sehr genau.
Die Lage sei nach wie vor ernst, sagte BfS-Präsidentin Inge Paulini der Deutschen Presse-Agentur. »Es ist in keinster Weise vorgesehen, dass sich um ein Atomkraftwerk herum Kriegshandlungen abspielen«, erklärte sie. Es bestehe daher »grundsätzlich das Risiko, dass die Kampfhandlungen direkt zu Schäden, zu Unfällen, zu Austritten von Radioaktivität führen können«. Ihr Amt sei seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar »in Dauerbeobachtung« der Situation.
Bereits mehrere Vorfälle
Schon mehrfach hat es seit Kriegsbeginn Vorfälle im Zusammenhang mit ukrainischen AKW gegeben - zuletzt auch eine Unterbrechung der Stromversorgung am Standort der Reaktorruine von Tschernobyl. Dort war es 1986 zu einem verheerenden Atomunfall gekommen. Noch heute lagern in Tschernobyl radioaktive Abfälle. Es ist seit Beginn des Krieges unter Kontrolle der russischen Truppen. Auch das größte AKW Europas, Saporischschja im Südosten, soll von russischen Streitkräften eingenommen sein. Auf dem Gelände von Saporischschja war am 4. März ein Brand ausgebrochen.
Das BfS sehe »aktuell keine Anzeichen dafür, dass radioaktive Stoffe in der Ukraine ausgetreten sind«, sagte Paulini. Seit Beginn der Kampfhandlungen schwanke zwar die Zahl der täglichen Daten aus der Ukraine. Aber es gebe »immer noch Daten zur Bewertung der Situation« und Messnetze, die überall in Europa - auch in den ukrainischen Nachbarländern - verteilt seien, sagte Paulini. Das Bundesamt betreibe in Deutschland 1700 automatisch arbeitende Messstellen, die fortlaufend Daten zur Strahlenbelastung lieferten.
Deutschland »gut aufgestellt«
Insgesamt seien die Strahlenschutz-Behörden hierzulande »gut aufgestellt«. Das Land sei »für einen radiologischen Notfall gerüstet«, sagte Paulini. Auch wenn er hierzulande noch nie ausgerufen worden sei - »auch nicht nach Tschernobyl«.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst beobachte das Bundesamt außerdem die Wetterlage derzeit sehr genau. Denn die bestimme, wo die Stoffe bei Austritt von Strahlung hintransportiert würden. »Wir schauen uns aktuell viermal am Tag die Wetterlage über der Ukraine an. Das machen wir sonst natürlich nicht.«
Eine Untersuchung vor einigen Jahren habe ergeben, dass »nur an circa 60 Tagen im Jahr« überhaupt Luftmassen aus der Ukraine nach Deutschland kämen, sagte Paulini. Die Luft würde also nicht automatisch rübergeweht. Auch die Konzentration der radioaktiven Stoffe in der Luft würde über die Strecke hinweg abnehmen.
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